Weltweit schränken Staaten Nichtregierungsorganisationen ein

Arbeiten unterm Damoklesschwert

Globalisierung war gestern. Immer mehr Regierungen weltweit wehren sich gegen das Engagement internationaler Organisationen und versuchen, ihnen den Geldhahn zuzudrehen. Ein Einschnitt in den Weg zur Demokratisierung?

Autor/in:
Christoph Arens
Bis hierhin und nicht weiter, heißt es für NGOs in China / © Jerome Favre (dpa)
Bis hierhin und nicht weiter, heißt es für NGOs in China / © Jerome Favre ( dpa )

"Wir werden auch weiterhin in Ägypten arbeiten." Es klingt fast ein wenig nach Mut der Verzweiflung, wie die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) das neue Gesetz des ägyptischen Parlaments zu Nichtregierungsorganisationen kommentiert. "Welche konkreten Auswirkungen das neue Gesetz auf unsere Arbeit haben wird, werden wir sehen, bewerten und dann die nötigen Schlussfolgerungen ziehen", räumte der Leiter der FES-Abteilung für den Mittleren Osten und Nordafrika, Ralf Hexel, am Freitag gegenüber der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Berlin ein.

Politische Aktivitäten werden eingeschränkt

Am Mittwochabend hatte das Parlament in Kairo ein Gesetz beschlossen, das die unabhängige Arbeit von ausländischen Nichtregierungsorganisationen (NGO) drastisch einschränkt. Eine neue Behörde soll künftig alle NGO sowie ägyptische Körperschaften mit finanzieller Unterstützung aus dem Ausland überwachen. Politische Aktivitäten werden drastisch eingeschränkt. Der UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Meinungsfreiheit, Maina Kiai, warnte, damit würde die Zivilgesellschaft für Generationen zerstört.

Schon bislang hatten es Nichtregierungsorganisationen im Ägypten nach dem arabischen Frühling schwer: Die FES ist derzeit noch als einzige der deutschen politischen Stiftungen dort vertreten. Die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) hatte das Land verlassen, nachdem 2013 zwei Mitarbeiter zu Haftstrafen verurteilt wurden. Im Frühjahr musste auch die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung ihr letztes Büro schließen.

NGO-Gesetze in vielen Ländern

Ägypten steht nicht allein. Ob Israel, Russland, China, Bolivien oder Ungarn: In mehr als 60 Ländern sind in den vergangenen vier Jahren NGO-Gesetze auf den Weg gebracht worden, wie Civicus, eine globale Initiative für Bürgerbeteiligung, berichtet. Die Handlungsspielräume für Organisationen, die Demokratie und Menschenrechte einfordern, Großprojekte hinterfragen oder gegen soziale Missstände und Umweltzerstörung protestieren, werden kleiner.

"Manche der nach dem Ende des Kalten Krieges erreichten Fortschritte in der Demokratisierung in Osteuropa, in Afrika und Lateinamerika werden wieder zurückgenommen", kommentiert Barbara Unmüßig, Vorstand der Grünen-nahen Heinrich Böll Stiftung. "Immer mehr Staaten schließen sich einer Gegenoffensive gegen zivilgesellschaftliches Engagement an."

Beispiel Indien: Dort dürfen nur solche NGO aktiv sein, die nicht den Positionen der Regierung und ihren wirtschaftlichen Interessen entgegentreten. Alle Organisationen, die Geld aus dem Ausland erhalten, werden streng kontrolliert. Rund 8.000 gemeinnützigen Organisationen wurde die Lizenz entzogen.

Auch China verabschiedete im Mai ein ähnliches Gesetz. Einige Tausend ausländische NGO müssten sich auf gravierende Einschränkungen einstellen, befürchtet Kristin Shi-Kupfer vom Mercator Institut für China-Studien in Berlin. Wenn ausländische NGO-Mitarbeiter gegen die sehr dehnbaren Kategorien wie "nationale Interessen" oder "soziale Ordnung" verstießen, müssten sie mit harten Strafen rechnen. 

Veränderung der internationalen Politik

Für Unmüßig sind diese Entwicklungen Anzeichen einer fundamentalen Veränderung der internationalen Politik: "Die aufstrebenden Ökonomien des Südens betonen mehr denn je ihre Souveränität", betont sie. Auch das Schreckensbild der "Farbrevolutionen" in der Ukraine sowie die Arabellion spielen eine große Rolle. Der Westen und seine Werte hätten zudem massiv an Glaubwürdigkeit verloren.

Ein weiterer Grund ist laut Frank Priess, stellvertretender Leiter der Abteilung Internationale Zusammenarbeit der Adenauer-Stiftung, die massive Zunahme politischer, sozialer und ökologischer Proteste rund um den Globus. Korruption und Machtmissbrauch treiben Hunderttausende auf die Straße. Proteste gegen Staudämme, Abholzung und Landraub setzen Regierungen unter Druck. Smartphones und soziale Netzwerke verstärkten die Entwicklung.

Unmüßig betont zugleich, dass nationale Gesetze zur Regulierung von in- und ausländischen NGO durchaus legitim sein können. Auch in Deutschland bestimme schließlich das Vereinsrecht über Gemeinnützigkeit, Besteuerung und Transparenz. Dass manche NGO in Entwicklungsländern komplett am Tropf ausländischer Geldgeber hänge, könne ebenfalls hinterfragt werden.


Quelle:
KNA