Neuer Pilgerrekord bei den Ankünften des Jakobswegs

Immer mehr sind dann mal weg

Es ist noch nicht amtlich. Doch das Pilgerjahr 2016 wird als absolutes Rekordjahr in die Annalen eingehen. Nie zuvor sind nachweislich mehr Pilger auf dem Jakobsweg nach Santiago de Compostela geströmt.

Autor/in:
Andreas Drouve
Es ist teilweise recht voll auf dem Jakobsweg / © Nadine Loesaus (KNA)
Es ist teilweise recht voll auf dem Jakobsweg / © Nadine Loesaus ( KNA )

Das Phänomen des Jakobswegs zieht immer weitere Kreise. Die vorläufige Statistik des ausklingenden Pilgerjahres zeigt, dass die Ankünfte am Ziel Santiago de Compostela eine neue Spitzenmarke erreicht haben. Die Zahl von rund 280.000 ausgegebenen Urkunden hat den bisherigen Rekord aus dem Heiligen Jakobsjahr 2010 (272.412) gesprengt. Ein neues Kapitel in der neuzeitlichen Wiederbelebung der Jakobswege seit den 1980er Jahren.

Urkunden wie am Fließband

Die Hilfskräfte im Pilgerbüro von Santiago hatten alle Hände voll zu tun, um des Ansturms Herr zu werden und Urkunden wie am Fließband auszustellen. Diese erhalten traditionsgemäß all jene Ankömmlinge, die anhand der Stempelabfolgen im Pilgerausweis nachweisen konnten, mindestens die letzten 100 Kilometer bis zur Apostelstadt zu Fuß oder die finalen 200 Kilometer mit dem Fahrrad zurückgelegt zu haben. Mitunter herrschte ein solch riesiger Andrang, dass Pilger zwei Stunden und mehr auf die Ausstellung ihres persönlichen Diploms warten mussten.

Die Renaissance der mittelalterlichen Wallfahrtsroute in den Nordwesten Spaniens wurzelt in den 1980er Jahren, als Neuentdecker aufbrachen und Papst Johannes Paul II. (1978-2005) neue Anstöße zur Pilgerschaft gab. Damals war an einen solchen Hype, zu dem sich das Pilgern auf dem Jakobsweg entwickelt hat, jedoch noch nicht ansatzweise zu denken. In den ganzen Jahren kamen seinerzeit so wenige Pilger an wie heute in ein paar Stunden im zulaufstärksten Pilgermonat August. 1981 waren es 299 und drei Jahre darauf 423. So richtig in die Höhe schossen die Zahlen ab den 1990er Jahren. Einen weiteren Schub an deutschen Pilgern brachte ab 2006 der Bestseller von Hape Kerkeling "Ich bin dann mal weg".

Zunehmende Auswüchse

Ein Blick ins Zahlenwerk 2016 zeigt, dass im Juli (45.483) und August (53.714) zusammen fast 100.000 Pilger eintrafen - im Tagesschnitt also ein mobiles 1.600-Einwohner-Dorf. Kein Wunder, dass die Kapazitäten in den Pilgerherbergen kaum ausreichten und Auswüchse einer zunehmenden Kommerzialisierung um sich greifen: von organisiertem Rucksacktransport über die Pflicht zur gebührenpflichtigen Gepäckaufbewahrung in Santiago de Compostela. Niemand darf in die Pilgerkathedrale mehr mit Rucksack hinein.

Klassiker unter den Wegstrecken war einmal mehr der Französische Weg, der angesichts seiner Vielfalt unschlagbar ist: von den Pyrenäen bis zum hügeldurchwellten Grün Galiciens; zwischendrin durch die Weingärten der Rioja, über die Hochebene Meseta und durch prachtvolle Kathedralstädte wie Burgos und Leon. Für den Erhalt der Pilgerurkunde braucht man allerdings nur ab der Kleinstadt Sarria durch Galicien zu wandern. Dafür braucht man fünf bis sechs Tage.

Küstenweg und der Portugiesischer Weg auf dem Vormarsch

Da das Gedränge auf dem Französischen Weg bekanntermaßen groß werden kann, sind historisch verbürgte Alternativrouten auf dem Vormarsch, darunter der Küstenweg und der Portugiesische Weg. Die Pilgerstatistiken belegen überdies den Trend, dass zunehmend mehr Pilger genau dann auf den Jakobsweg aufbrechen, wenn es von der Jahreszeit und Witterung her eigentlich nicht empfehlenswert wäre: im Winter. Dann muss man mit Schnee in den Pyrenäen, Eiswinden auf der Meseta, heftigen Niederschlägen in Galicien und einer Reihe geschlossener Pilgerherbergen rechnen. Doch diese Rahmenbedingungen wiegen für die, die es mögen, das Erleben auf, ohne Massenandrang und oft allein auf weiter Flur unterwegs zu sein.

Zusätzlicher Anreiz 2016 war das von Papst Franziskus ausgerufene "Jahr der Barmherzigkeit", da dies in Santiago de Compostela mit der Öffnung der Heilige Pforte der Kathedrale bis in den November hinein einherging. Ansonsten ist die Heilige Pforte nur in Heiligen Jakobusjahren passierbar - das nächste Mal 2021. Bis dahin sollen auch die groß angelegten Restaurierungsarbeiten an der Kathedrale abgeschlossen sein.

 

Quelle:
KNA