Der Jakobsweg zum Grab des heiligen Apostels Jakobus in Santiago de Compostela erlebt einen ungebrochenen Boom. Im abgelaufenen Jahr 2015 bekamen rund 262.000 Pilgerinnen und Pilger im Pilgerbüro die begehrte "Compostela"-Urkunde. Für deren Erhalt müssen die Ankömmlinge mit Stempelfolgen im persönlichen Pilgerausweis belegen, mindestens die letzten 100 Kilometer bis zur Apostelstadt zu Fuß oder zu Pferd zurückgelegt zu haben. Mit dem Fahrrad ist ein Nachweis der letzten 200 Kilometer notwendig. Stempel gibt es unterwegs in Kirchen, Klöstern, Kapellen und vor allem in den Pilgerherbergen. Für Rollstuhlfahrer gelten bei den Distanzen weniger strikte Regelungen; sie hängen von den individuellen Umständen ab.
Steigende Pilgerzahlen
Seit vielen Jahren steigen die Pilgerankünfte kontinuierlich: von 192.488 (2012) über 215.880 (2013) und 237.886 (2014) auf nunmehr 262.000. Die exakte Jahresabschlusszahl veröffentlicht das Erzbistum erst im Januar. Der bisherige Pilgerrekord datiert aus dem "Heiligen Jakobusjahr" 2010. Damals fiel der Jakobustag 25. Juli letztmals auf einen Sonntag. Eine regelrechte Jakobs-Werbemaschinerie lief, und es wurden 272.412 Ankömmlinge registriert. In den 70er Jahren lagen die Pilgerzahlen noch im zweistelligen Bereich; in den 80er Jahren bewegte sich die Spanne zwischen 209 (1980) und 5.760 (1989). Mitte der 80er Jahre hatten Papst Johannes Paul II. und der Europarat das Jakobspilgern neu belebt.
Der stärkeren Nachfrage haben längst zahlreiche Neueröffnungen von Pilgerherbergen entsprochen; sie werden privat, kirchlich oder von der öffentlichen Hand unterhalten. Bei den teureren Privatherbergen lässt sich der Trend zu einer stärkeren Ausrichtung auf Komfort beobachten: ob bequemere Matratzen, drahtloser Internetempfang oder vereinzelt Kapselbetten, die ein höheres Maß an Privatsphäre garantieren. Unübersehbar ist eine Überkommerzialisierung, die von organisierten Gepäcktransporten bis zur Aufstellung von Getränkeautomaten reicht. Den Zustrom kann das freilich nicht bremsen.
90% zu Fuß unterwegs
Die beliebteste Strecke 2015 war einmal mehr der "Französische Weg", der von den Pyrenäen über Pamplona, Burgos, Leon und Ponferrada nach Santiago führt. Zunehmend stärker frequentiert werden der "Portugiesische Weg" von Portugal und der "Nordweg" von der nordspanischen Atlantikküste her.
Etwa 90 Prozent der Pilger treffen zu Fuß ein, knapp 10 Prozent mit dem Rad. Verschwindend geringe Teile entfallen auf Reiter und Rollstuhlfahrer, deren Zahlen beide in diesem Jahr rückläufig waren.
70 Rollstuhlfahrer bedeuteten 2015 einen leichten Abfall im Vergleich zum Vorjahr (98); die Zahl der Reitankömmlinge sackte von 1.520 auf etwa die Hälfte.
Frauen und Männer hielten sich einmal mehr die Waage, wobei alleinpilgernde Frauen neuerdings zu stärkerer Wachsamkeit gefordert sind. Ein Raubmord an einer Wallfahrerin aus den USA erschütterte im Frühjahr die Pilgergemeinschaft; der Täter wurde nach langer Suche gefasst. Vereinzelt kommt es gleichwohl zu Belästigungen von Frauen. Ein Handy kann dann gute Dienste tun.
Heilige Pforte geöffnet
Erfreulich für Jakobspilger ist das von Papst Franziskus ausgerufene "Heilige Jahr" 2016 als "Jubiläum der Barmherzigkeit". Es bedeutet, dass die Heilige Pforte der Kathedrale von Santiago offensteht, was sonst nur in "Heiligen Jakobusjahren" - das nächste Mal wieder 2021 - der Fall ist. Weniger erfreulich ist die teilweise Einrüstung der Kathedrale. Manche Restaurierungsmaßnahmen, auch im Inneren des riesigen Gotteshauses, werden sich über Jahre erstrecken. Ein neues Pilgerbüro gibt es seit kurzem auch. Es liegt nicht mehr nahe der Kathedrale, sondern ein Stück abseits in der Rua Carretas 33.
Ob der zu Weihnachten in die Kinos gekommene Jakobsweg-Film "Ich bin dann mal weg" nach dem Bestseller von Hape Kerkeling erneut einen zusätzlichen Schub an Pilgern aus dem deutschen Sprachraum bringen wird, muss sich zeigen - die Filmkritiker hielten eher den Daumen runter.