Warum in Assisi aus Ruinen eine Krippe gebaut wird

Zeichen der Solidarität

In Assisi wurde die Weihnachtskrippe eingeweiht. Dieses Jahr sind Steine der eingestürzten Kirche der Erdbeben-Stadt Norcia dort verbaut. Bei der Einweihung dabei war Bruder Thomas Freidel von den Franziskaner-Minoriten in Assisi.

Sankt Maria Argentea in Norcia ist nach dem Erdbeben schwer beschädigt.  / © Matteo Guidelli (dpa)
Sankt Maria Argentea in Norcia ist nach dem Erdbeben schwer beschädigt. / © Matteo Guidelli ( dpa )

domradio.de: Die diesjährige Weihnachtskrippe in Assisi, die am Donnerstagabend eingeweiht wurde, wird mit Steinen aus der beim Erdbeben eingestürzten Benedikts-Basilika von Norcia gestaltet. Wie kann man sich das vorstellen?

Bruder Thomas Freidel (Franziskaner-Minorit in Assisi): Das ist eigentlich eine ganz normale Weihnachtskrippe mit den Figuren Maria, Josef und dem Christuskind. Aber diese Figuren stehen auf mehreren Steinfragmenten der eingestürzten Kirche der Benediktiner in Norcia. Dabei ist auch ein Schutzhelm von einem Mitarbeiter des technischen Hilfswerks, das nach dem Beben dort geholfen hat. Norcia wurde schwer von den Erdbeben in den vergangenen Monaten getroffen.

domradio.de: Ja, es waren mehrere Beben. Norcia hat bei den Erdbeben in Mittelitalien am 24. August und 30. Oktober beträchtliche Schäden erlitten. Und beim zweiten Beben stürzte die mittelalterliche Basilika San Benedetto zu großen Teilen ein.

Bruder Thomas Freidel : Wir in Assisi können da mitfühlen, denn wir sind auch schon öfter Opfer eines Erdbebens gewesen. Im Jahr 1997 wurde auch unsere Basilika schwer beschädigt, und auch das Erdbeben in diesem Jahr war bei uns spürbar. Dass die Steine in die Krippe integriert wurden, soll ein Zeichen der Solidarität mit den Menschen in Norcia sein.

domradio.de: Aus der Erdbebenregion kommen übrigens nicht nur die Steine für die Krippe, sondern auch der Weihnachtsbaum in Assisi. Der kommt jedes Jahr aus einer anderen Region. Wie genau hilft das den Menschen?

Bruder Thomas Freidel : Assisi ist ein Ort, der vielleicht noch bekannter ist als Norcia. Hier schaut die ganze Welt hin. So können wir dazu beitragen, dass die Menschen dort nicht vergessen werden. Das hat auch der Bürgermeister gestern Abend sehr deutlich betont, dass wir eben in dieser schwierigen Situation hier zusammenhalten. Und was uns auch wichtig ist: Die umbrische Stadt Norcia ist die Heimat des Mönchsvaters Benedikt. Er ist neben Franz von Assisi einer der großen Heiligen Umbriens und der Vater des europäischen Mönchtums. Wir wollen damit auch auf den Ursprung unserer europäischen Kultur und das Fundament, auf dem unser Leben hier aufgebaut ist, hinweisen.

domradio.de:  Bei der Einweihung dabei waren gestern unter anderem Vertreter aus dem Vatikan, aber auch die Bürgermeisterin von Bethlehem, Vera Baboun. Wie lief das ab?

Bruder Thomas Freidel : Bethlehem ist seit den 1980er Jahren Partnerstadt von Assisi. Es gab eine Messe in der Basilika mit Kurienkardinal Peter Turkson, der auch anschließend die Krippe gesegnet hat. Die Bürgermeisterin von Bethlehem hat ein Grußwort gesprochen. Natürlich ist das auch immer ein Zeichen der Solidarität mit Bethlehem, wo auch die Lage nicht einfach ist. Unsere neu gewählte Bürgermeisterin wird im Gegenzug an Weihnachten nach Bethlehem reisen und den partnerschaftlichen Kontakt wieder neu beleben und ins Bewusstsein bringen. Franz von Assisi hat ja die Menschwerdung Gottes besonders verehrt. Er gilt im gewissen Sinne als Initiator der Weihnachtskrippentradition.

domradio.de: Franz von Assisi hat vor knapp 800 Jahren bei seiner Predigt eine Weihnachtskrippe mit lebenden Tieren und Menschen nachstellt…

Bruder Thomas Freidel : Und so gehört es eben auch zusammen, was in Bethlehem geschehen ist, und das was Franz von Assisi szenisch dargestellt hat.

domradio.de: Die Stiftung von Baum und Steinen ist möglicherweise nicht ganz unumstritten: Einzelnen italienischen Medienberichten zufolge hat es wohl kleine Proteste gegeben. Was steckt dahinter?

Bruder Thomas Freidel: Es gab einen Protest von Umweltschützern bezüglich des Baumes, die behauptet hatten, dass der Baum unter Naturschutz gestanden habe. Was allerdings so nicht stimmt.

domradio.de: Was stimmt denn?

Bruder Thomas Freidel: Anstelle dieses Baumes wurden fünf neue Bäume gepflanzt. Entscheidend ist, was den Menschen von Norcia und der Region wichtig ist. Was ihnen hilft. Für sie ist es ein Zeichen gewesen, dass sie auch etwas geben können. Sie sind momentan Empfänger von vielen Hilfsleistungen. Sie sind dankbar dafür. Sie sind aber nicht ganz abgeschnitten. Sie sagen: "Wir geben Euch auch gerne etwas. Wir geben den Baum nach Assisi, der unsere Freundschaft ausdrückt und vertieft."

Das Interview führte Verena Tröster.

 

Eingestürzte Kirche in Norcia / © Massimo Percossi (dpa)
Eingestürzte Kirche in Norcia / © Massimo Percossi ( dpa )
Quelle:
DR