In der Region um die westkolumbianische Hafenstadt Tumaco habe es in den vergangenen Wochen viele gezielte Morde sowie einen Granatenanschlag mit zwei Toten und mehr als 20 Verletzten gegeben, sagte Adveniat-Projektpartnerin Ulrike Purrer, die die katholische Jugendarbeit in der Stadt koordiniert, am Dienstag. Das Friedensabkommen sei zwar "unerlässlich und sehr erfreulich", bedeute aber noch keineswegs Frieden für Kolumbien.
"Die relative Ruhe, die der Waffenstillstand zwischen der linken Guerillaorganisation Farc und Streitkräften bereits seit letztem Jahr in Tumaco erzeugt hatte, hat uns hoffnungsvoll gestimmt", sagte Purrer. Gleichzeitig seien aber neue bewaffnete, unabhängige Gruppen nachgerückt, die versuchten, das entstehende Machtvakuum zu füllen. Adveniat hatte kürzlich in einem Schreiben den kolumbianischen Präsidenten Juan Manuel Santos und die zuständigen Behörden aufgefordert, umgehend wirksame Maßnahmen gegen die weit verbreitete Gewalt in der Region Tumaco zu unternehmen.
Wirtschaftlichen Status-quo-Erhalt vs. nachhaltiger gesellschaftlicher Wandel
Es gehe um ganze Generationen, die die Verletzungen des Kriegs hinter sich lassen und neue Chancen erhalten müssten, betonte Purrer. Ohne einen funktionierenden Rechtsstaat und die Überwindung der Straflosigkeit würden die vielen Opfer des Bürgerkrieges keinen Frieden finden. Sie gehe von mindestens 25 Jahren "Friedenskonstruktion" aus, sagte die Theologin. Die Regierung dürfe aber nicht weiter auf den wirtschaftlichen Status-quo-Erhalt der Eliten setzen. Ziel müsse ein nachhaltiger gesellschaftlicher Wandel sein, an dem auch die afrokolumbianische Pazifikküste teilhabe.
In der 80.000-Einwohner-Stadt Tumaco fehle noch viel für den Frieden: "Einerseits ein real vor Ort funktionierender Rechtsstaat, der die Macht von den illegalen Gruppen übernimmt, und andererseits staatliche Investitionen in Arbeitsplätze, Infrastruktur, Bildungsmöglichkeiten", sagte Purrer. Solange junge Menschen nach dem Schulabschluss kaum berufliche oder akademische Chancen hätten, entschieden sie sich weiterhin für das lukrative Coca-Geschäft und ließen die Region nicht zur Ruhe kommen.
Nach dem Friedensabkommen zwischen der kolumbianischen Regierung und der Farc-Guerilla
Das in fast vier Jahren ausgehandelte Friedensabkommen zwischen der kolumbianischen Regierung und der Farc-Guerilla ist seit Anfang Dezember in Kraft. Die erste Fassung des Friedensvertrags hatte die Bevölkerung im Oktober mit knapper Mehrheit abgelehnt. In mehrwöchigen Nachverhandlungen wurden daraufhin zahlreiche Änderungswünsche der Kritiker in den Vertragstext aufgenommen. Die überarbeitete Version verabschiedete der Kongress Ende November trotz fortbestehender Vorbehalte der konservativen Opposition.
Der Bürgerkrieg zwischen der Regierung, mehreren Rebellengruppen und paramilitärischen Todesschwadronen hatte sich in den 60er Jahren an Landkonflikten und sozialer Ungerechtigkeit entzündet. Seither wurden etwa 340.000 Menschen getötet, mindestens sieben Millionen Kolumbianer wurden vertrieben. Noch kämpfen die Regierung und die kleinere Guerilla ELN gegeneinander.