Kirchen rufen zu Zusammenhalt auf

Sorge um Debattenkultur

Zum Jahreswechsel haben Vertreter der beiden großen Kirchen in Deutschland die Menschen zum Zusammenhalt aufgerufen. Zugleich zeigten sie sich besorgt über einen zunehmend rauen Ton in öffentlichen Debatten.

Silvester 2016 / © Oliver Berg (dpa)
Silvester 2016 / © Oliver Berg ( dpa )

Papst Franziskus hat eine Lanze für die Jugend gebrochen. Bei seiner Jahresabschluss-Predigt am Samstag im Petersdom verurteilte das katholische Kirchenoberhaupt eine Kultur, "die einerseits die Jugend vergöttert und versucht, diese Phase ewig hinauszuziehen", andererseits aber für die Jugendlichen selbst keinen Platz biete. Scharf verurteilte er Jugendarbeitslosigkeit und prekäre Arbeitsverhältnisse bei jungen Erwachsenen. Stattdessen gelte es, den Betroffenen Perspektiven auf eine würdige und freie Arbeit zu bieten.

Im lettischen Riga endete unterdessen das Europäische Jugendtreffen der ökumenischen Gemeinschaft von Taize. Daran nahmen etwa 15.000 Jugendliche teil. Taize-Prior Frere Alois rief sie auf, im kommenden Jahr bei aller Hektik des Alltags Momente zum Innehalten zu suchen. Das nächste Treffen findet in einem Jahr im schweizerischen Basel statt.

Blick auf die Bundestagwahlen

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, ermutigte am Samstag in seiner Jahresschlusspredigt die Christen dazu, sich für ein "gutes Miteinander in unserem Gemeinwesen einzusetzen". Das gelte auch mit Blick auf die Bundestagswahlen im Herbst, hob der Münchner Erzbischof hervor.

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, rief in seiner Botschaft zum Jahreswechsel zu Zuversicht auf. Angst sei immer ein schlechter Ratgeber, so der bayerische Landesbischof. "Sie verengt den Blick und auch das Herz, macht mutlos und lässt resigniert die Hände sinken."

Eindringliche Worte in Köln

In Köln erinnerte Kardinal Rainer Maria Woelki an die Ereignisse der Silvesternacht vor einem Jahr, als es vor allem auf der Domplatte und um den Hauptbahnhof herum zu zahlreichen sexuellen Übergriffen gegen Frauen kam. Die Täter waren vornehmlich junge Männer aus dem nordafrikanischen und arabischen Raum.

Woelki bezeichnete die Geschehnisse als "Katastrophe". Vieles habe sich seither verändert. "Das Bewusstsein, wie verletzlich die Würde des Menschen, sein Leib und das Leben sind, das Bewusstsein, wie gewalttätig Sexismus ist und wie gefährdet Frauen mitten unter uns sind, ist auf erschreckende Weise geschärft." - In diesem Jahr sollen rund 1.800 Polizisten und etwa 600 städtische Ordnungskräfte über die Sicherheit der Feiernden in Köln wachen.

Leben mit dem Krieg?

Der Hamburger Erzbischof Stefan Heße forderte, konkrete Visionen für die unter Krieg und Terror leidenden Regionen zu entwickeln. Wenn militärischer Frieden erreicht sei, müsse die Staatengemeinschaft daran gehen, auch Armut, Elend und Unfreiheit zu besiegen. Sonst seien erneuter Terror und Krieg nur eine Frage der Zeit.

Der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick sagte, er erhoffe sich vom Jahr 2017 Reformen "für unser religiöses und auch für unser soziales und gesellschaftliches Leben". Der Paderborner Erzbischof Hans-Josef Becker mahnte mehr direkte Gespräche unter den Menschen an. Er bezeichnete eine weit verbreitete Sprachlosigkeit im zwischenmenschlichen Bereich als Grundübel der Gesellschaft.

"Alles ist möglich"

Der Freiburger Erzbischof Stephan Burger rief die Menschen auf, sich nicht "vom Strudel populistischer Strömungen" in den Abgrund ziehen zu lassen. Der Berliner Erzbischof Heiner Koch regte in einem kurz vor Silvester veröffentlichten Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) eine neue Wertedebatte an. Entsprechende Fragen seien "über viele Jahre völlig vernachlässigt worden nach dem Motto: Alles ist denkbar, alles ist möglich".

Ähnlich äußerte sich der Hildesheimer Bischof Norbert Trelle. Er beklagte, seit Jahrzehnten schwinde "die Sinnfrage aus der politischen Debatte". Der Aachener Bischof Helmut Dieser und sein Limburger Amtsbruder Georg Bätzing warnten davor, in öffentlichen Diskussionen Gemütszustände über Tatsachen zu erheben. Mehr und mehr komme es vor, dass Menschen ihre Ansichten absolut setzten, Zweifel ausblendeten und die gröbsten Vereinfachungen wieder für zulässig hielten, beklagte Bätzing.

Der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode stellte das Gedenken an 500 Jahre Reformation in den Mittelpunkt seiner Silvesterpredigt. Er würdigte dabei den ökumenischen Charakter der Feierlichkeiten: "Zum ersten Mal erkennen wir zu einem solchen Jahrhundertereignis unsere gemeinsame Verantwortung für den christlichen Glauben."


Quelle:
KNA