Konstanzer Konzilsjubiläum geht 2017 auf die lange Zielgerade

Papstwahl 2.0

Das Ringen um Dialog und Frieden zwischen Religionen und Kulturen - heute so drängend wie beim Konstanzer Konzil vor 600 Jahren. Auf Touristen und Kulturinteressierte warten 2017 historische Brückenschläge, Ausstellungen und Musikfestivals.

Autor/in:
Volker Hasenauer
Marktszene während des Konzils in der Stadt Konstanz, Abbildung aus der Konstanzer Ausgabe der Richentalchronik / © Rosgartenmuseum Konstanz
Marktszene während des Konzils in der Stadt Konstanz, Abbildung aus der Konstanzer Ausgabe der Richentalchronik / © Rosgartenmuseum Konstanz

Rechtspopulisten auf dem Vormarsch, Internet-Hetze gegen Fremde, das Ringen um einen Dialog mit Muslimen - Ruth Bader verweist auf die bedrohliche politische Großwetterlage, um die Verantwortung und Chancen des Konstanzer Konzilsjubiläum 2017 zu beschreiben. "Selten war es so wichtig wie heute, Vorurteilen mit geschichtlichen Fakten und Halbwissen mit echtem Nachdenken über den Dialog von Religionen und Kulturen zu begegnen. Dazu will unser 'Jahr der Religionen' 2017 beitragen."

Bader koordiniert und gestaltet das weit über die Bodensee-Region ausstrahlende Gedenken an das Konstanzer Konzil, das vor genau 600 Jahren die Mächtigen aus Staat und Kirche versammelte, um (kirchen)politische Feindschaften zu befrieden und Visionen eines multikulturellen Europas zu entwickeln. Parallel zur damaligen Sitzungsdauer von 1414-1418 gestalten Stadt und Region Konstanz sowie die Kirchen dort seit 2014 ein aufwendiges Programm, das im November zum 600. Jahrestag der einzigen Papstwahl auf deutschem Boden kulminiert.

Neue Religionskriege entbrannten

Denn am 11. November 1417 gelang es den Gesandten der verfeindeten Nationen und Kirchengruppen aus ganz Europa, die knapp 40 Jahre andauernde Kirchen- und damit politische Spaltung des Kontinents zu überwinden. Statt zeitweise drei konkurrierender und sich gegenseitig verfluchender Gegenpäpste war seitdem Martin V. einziger legitimer Kirchenführer.

Zur historischen Wahrheit gehört, dass der vom Konzil angestoßene Dialog nicht verhindern konnte, dass 100 Jahre später mit der Reformation die brüchige Kircheneinheit endete und neue Religionskriege begannen. Auch daran erinnern Kirchen, Museen und Politik während des gesamten kommenden Jahres.

Festlicher Höhepunkt des Gedenkens wird im November ein Festakt und Gottesdienst zur Erinnerung an das "Habemus Papam" von 1417, das bislang in der deutschen Erinnerungskultur kaum eine Rolle spielte: Nie vorher und nie nachher wurde nördlich der Alpen ein Papst gekürt.

"Dieser Durchbruch war damals keineswegs sicher. Vielmehr war die Versammlung ein Pulverfass, das zu jeder Zeit der langwierigen Verhandlung hätte explodieren können. Mit unabsehbaren Folgen für die Menschen in ganz Europa", sagt Ralph Haas von der katholischen Kirche Konstanz.

Planspiel "Papstwahl 2.0"

Wie groß die Gegensätze und wie schwierig die Kompromissfindungen waren, soll im April ein Planspiel „Papstwahl 2.0“ konkret erlebbar machen. "Wir haben dazu 200 Schüler und junge Erwachsene aus Deutschland, Österreich und der Schweiz sowie weiteren europäischen Staaten eingeladen, die in einer fünftägigen Konferenz in die Rolle der damaligen Mächtigen aus Kirche und Staat schlüpfen werden", so Haas. Dabei wollen die Rollenspieler Parallelen zu heutigen Herausforderungen bei kulturellen und religiösen Konflikten ziehen.

Auch die im April öffnende Ausstellung im Archäologischen Landesmuseum (ALM) widmet sich dem Dialog der Religionen. Am Beispiel des jüdischen Lebens in der mittelalterlichen Stadt. "Wir werden Verfolgung und Ghettoisierung der Juden beleuchten, aber gleichzeitig den positiven Beispielen des Miteinanders der Religionen nachgehen", so Bader. Neue Kontakte zwischen Juden, Muslimen, Christen und Buddhisten wollen die "Religionsspaziergänge" vermitteln, für die Kirchen, Moschee und Synagoge ihre Türen öffnen.

Bereits als Publikumsfavorit der vergangenen Jahre etabliert sind die historischen Stadtführungen, bei denen Schauspieler ins Mittelalter entführen. An Originalschauplätzen der Konstanzer Altstadt wird die Südwestdeutsche Philharmonie im Juli die Oper "La Juive" aufführen.

Tourismus angekurbelt

Der Südwestrundfunk organisiert im September das Musikfestival "Europäische Avantgarde um 1400". Obwohl das Gedenkprogramm nun bereits ins vierte Jahr geht, ist von Erschöpfung oder Wiederholung nichts zu spüren. "Wir können weiterhin auf große Unterstützung der Bürger und unsere Partner in der gesamten Region bauen. Dafür sind wir sehr dankbar", sagt Bader. Auch Schweizer und Österreichische Museen und Kulturinstitutionen beteiligen sich wieder.

Die ohnehin boomenden Tourismusregion Bodensee dürfte durch das Jubiläum weiter an Attraktivität gewonnen haben. Und so langsam kommt die Ziellinie des Erinnerungsmarathons in Sicht: 2018 wird das Gedenken ausklingen: Am 22. April 1418 endete mit dem Konzil eine der wichtigsten Versammlungen des Mittelalters. "An dieses Schlussdatum werden wir uns auch 600 Jahre später halten", kündigt Bader an.


Das mittelalterliche Konzilsgebäude am Hafen von Konstanz / © Harald Oppitz (KNA)
Das mittelalterliche Konzilsgebäude am Hafen von Konstanz / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
KNA