Eine Veröffentlichung der katholischen Kirche hat in Nigeria zu weitreichenden Diskussionen geführt: Nachdem die Diözese Kafanchan im südlichen Teil des Bundesstaates Kaduna kürzlich den Tod von mehr als 800 Christen im Konflikt zwischen Bauern und Viehhirten beklagte, soll sich nun das nigerianische Oberhaus, der Senat, damit befassen. Kurz zuvor hatte auch der Sultan von Sokoto, Muhammad Sa'ad Abubakar III., die Vorfälle verurteilt. Sie widersprächen islamischen Gesetzen. Einwände gab es indes seitens der Polizei, die die Opferzahlen für zu hoch hält.
Innerhalb von vier Monaten sollen nach Angaben der Kirche 808 Christen getötet und 57 verletzt worden sein. In den 53 betroffenen Dörfern seien außerdem 1.422 Häuser, 16 Kirchen und 19 Läden zerstört worden. Staatliche Stellen bestätigten die Zahlen bislang nicht.
Immer mehr Aussschreitungen
Neu sind Ausschreitungen wie im Süden Kadunas nicht. Schon seit Jahrzehnten kommt es auch in den Bundesstaaten Taraba, Plateau, Benue und Nasarawa zu tödlichen Überfällen. Doch in den vergangenen Jahren wurden es offenbar immer mehr. Nach Recherchen der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) wurden allein zwischen Dezember 2013 und April 2014 rund 1.000 Menschen getötet. Da sich die Vorfälle häufig in ländlichen Regionen ereignen, gibt es keine offiziellen Zahlen.
Die evangelikale Organisation Open Doors prangert in diesem Zusammenhang vor allem die Viehhirten der ethnischen Gruppe der Fulani an. Unter anderem beklagt Open Doors eine "systematische Vertreibung von Christen" und den Versuch, den Islam in Richtung Süden systematisch auszuweiten. Die Fulani sind erbost über die Anschuldigungen. Mitunter fühlen sie sich auf eine Stufe mit der islamistischen Terrormiliz Boko Haram gestellt. Tatsächlich haben die Ausschreitungen in der Regel nichts mit Religion zu tun. Zwar sind die Fulani-Hirten meist Muslime, die gibt es aber auch unter den Bauern, die allerdings überwiegend dem Christentum angehören.
Land immer knapper
Eigentliche Ursache des Streits ist die sich zuspitzende Landknappheit in Nigeria. In Afrikas einwohnerreichstem Staat leben geschätzt 186 Millionen Menschen. 1960 waren es vermutlich nur gut 45 Millionen Menschen. Land, sei es für Getreideanbau, die Haltung von Vieh oder schlichtweg zur Geldanlage, ist zu einem kostbaren Gut geworden.
Viehbesitzern waren vor Jahren in vielen Bundesstaaten Weidekorridore versprochen worden. Eingerichtet wurden sie aber nur in den seltensten Fällen. Stattdessen wandelten Bauern ehemalige Weidezonen - schriftliche Aufzeichnungen oder Papiere gibt es darüber so gut wie nie - in Anbauflächen um. Die Landwirte klagen nun darüber, dass Tiere ihre Felder zertrampeln und ganze Ernten vernichten. Anders als früher wird dafür häufig keine Kompensation mehr gezahlt. Das katholische Komitee für Gerechtigkeit, Entwicklung und Frieden (JDPC) versucht derweil, zwischen den verhärteten Fronten zu vermitteln.
Bewaffnete Hirten
Beobachtern zufolge hat zudem die Entwicklung im Nordosten Nigerias zu einer Verschärfung der Probleme beigetragen. Wegen der Angriffe von Boko Haram haben viele Hirten ihre Routen in Richtung Süden verlegt, was zu neuen Schwierigkeiten führt. Immer häufiger kommt es zu Überfällen und Viehdiebstahl, weshalb zahlreiche Hirten bewaffnet sind. Unter diese mischen sich oft marodierende Banditen, die zusätzlich für Unruhe sorgen und den Konflikt weiter befeuern.