Moraltheologe fordert höhere Preise für Fleischerzeugnisse

Wie viel ist das Fleisch uns wert?

Europäer sollten mindestens das Doppelte für Fleisch zahlen, fordert der Linzer Moraltheologe Michael Rosenberger. Im domradio.de-Interview erklärt er, warum die Eucharistie ein veganes Mahl ist – und der Fisch "eigentlich" kein Fleisch.

Rohes Fleisch beim Metzger (dpa)
Rohes Fleisch beim Metzger / ( dpa )

domradio.de: Bin ich ein schlechter Christ, wenn ich Fleisch esse?

Prof. Dr. Michael Rosenberger (Moraltheologe, Katholische Privatuniversität Linz): Allein vom Fleischverzehr kann man das noch nicht sagen. Grundsätzlich ist es für den Christen ja üblich, Fleisch zu essen. Die Fragen sind: Erstens, wie viel Fleisch esse ich? Und zweitens, welches Fleisch esse ich?

In Deutschland essen wir momentan netto 60 Kilogramm Fleisch pro Person und Jahr. Das ist definitiv zu viel, besonders unter den Gesichtspunkten des Klimaschutzes. Die Massentierhaltung trägt sehr viel zum Treibhauseffekt bei. Wir müssen uns auch fragen, wie viel Boden verbraucht wird, um die Futtermittel für die Mast-Tiere anzubauen. Die meisten Tiere in der Intensiv-Tierhaltung werden nicht nur mit Gras gefüttert, das wäre kein Problem, sondern auch mit Getreide. Mit Soja und anderen Erzeugnissen, die theoretisch auch der Mensch essen könnte. Damit ist auch das dritte Problem schon genannt: Der Welthunger. So lange noch so viele Menschen auf der Erde hungern, ist es nicht möglich, sich einen so hohen Fleischkonsum zu erlauben. Damit werden anderen Menschen diese Lebensmittel weg genommen. Um das zu ändern, müssten wir auf ungefähr ein Viertel unseres jetzigen Fleischkonsums runter kommen. Das wäre tragbar und in Ordnung. Dann könnten wir es uns auch leisten, mehr Geld fürs Fleisch auszugeben, was auch zu einer besseren Tierhaltung beitragen würde. Man muss ganz ehrlich sagen: Die durchschnittliche Tierhaltung in Deutschland und Europa ist für das Tier nicht gerecht. Da müssen wir dem Tier wesentlich mehr bieten. Diese Aufgabe können wir nicht alleine den Landwirten zuschieben. Da müssen wir auch bereit sein, deutlich mehr Geld für ein Stück Fleisch auszugeben. Nur dann kann auch der Landwirt das Tier besser halten.

domradio.de: Wie viel konkret sollte ich für ein Schnitzel zahlen?

Rosenberger: Das doppelte vom jetzigen Preis minimal, vielleicht sogar noch etwas mehr. Da ist Spielraum nach oben bis zum drei-, vierfachen. Dann könnten wir richtig gute Tierhaltung betreiben.

domradio.de: Das sind alles Standpunkte, die ich auch als moralisch denkender Mensch ohne religiosen Bezug vertreten kann. Welche Rolle spielt dabei die christliche Überzeugung?

Rosenberger: Vom Ursprung des Christentums her wurde schon immer das Bewusstsein geschärft, dass Fleisch etwas anderes ist als pflanzliche Nahrung. Mit dem Konsum und Verzehr von Fleisch sollte man noch mal achtsamer und differenzierter umgehen. Im Christentum, aber auch im Judentum, gab es Zeiten, wo man sich des Fleisches enthalten hat. Im christlichen Mittelalter waren das die 40 Tage Fastenzeit, eine lange Zeit, und zudem noch der Freitag jeder Woche. Ein starkes Signal: Lieber Mensch, mach dir bewusst, wenn du Fleisch verzehrst, ist das etwas anderes als Pflanzen. Da musst du noch mal aufmerksamer mit umgehen.

domradio.de: Finden sich da auch in der Bibel Bezüge zu?

Rosenberger: Die Bibel sieht die Tiere als Mitgeschöpfe und sieht, dass sie lebendige Wesen sind, die ihr Leben leben möchten. Wenn wir schon Tiere nutzen, müssen wir auch gut mit ihnen umgehen und sie fair behandeln.

domradio.de: Kann man das an einem konkreten Text erklären?

Rosenberger: Im Alten Testament gibt es eine Vorschrift, die besagt, dass man das Zicklein nicht in der Milch seiner Mutter kochen soll. Diese Vorschrift hat den Tierschutz als Ursprung. Es ging darum zu sagen: Wenn wir dem Muttertier schon das Junge wegnehmen, dann dürfen wir den Schmerz dieser Mutter nicht noch größer machen, sondern müssen im Gegenteil sehr respektvoll sein, müssen diesen Schmerz auch wahrnehmen. Nicht nur das getötete Jungtier hat gelitten, sondern auch dessen Mutter leidet. Das wird im Text darin deutlich, dass man eben nicht die Muttermilch nimmt, um das Fleisch des Kindes darin zu kochen. Das ist ein toller Ansatz, um die Sensibilität für die Tiere zu fördern und darauf aufmerksam zu machen.

domradio.de: Katholiken sollen am Freitag kein Fleisch zu sich nehmen, deshalb kommt bei uns Fisch auf den Tisch. Warum ist für die Kirche der Fisch kein Fleisch, beziehungsweise Tier?

Rosenberger: Das hat eine lange Tradition, die aus dem Mittelalter kommt. Lange Zeit war auch Fisch an den Fastentagen tabu. Nördlich der Alpen hatte man aber die Problematik, dass gerade in der Fastenzeit und den Wintermonaten der Eiweißbedarf nicht gedeckt werden konnte durch rein pflanzliche Ernährung. Das war natürlich ein echtes Problem. Wenn man in der Situation auf Fleisch verzichtet, muss das Eiweiß irgendwo her kommen. Im elften und zwölften Jahrhundert hat man dann gesagt: Der Fisch ist noch akzeptabel. Natürlich ist der Fisch auch ein Tier und eigentlich geht das nicht – aber es ist auch so, dass der Fisch am fünften Schöpfungstag geschaffen wurde, während das Schwein oder das Rind am sechsten Tag mit dem Menschen zusammen geschaffen wurde. Modern übersetzt könnte man sagen: Rind und Schwein sind Säugetiere und stehen uns als Warmblüter einfach näher. Damals konnte man das biologisch noch nicht so erklären, aber über diese zwei verschiedenen Schöpfungstage konnte man doch sagen: Das Schwein steht uns näher als der Fisch, und wenn überhaupt etwas am Freitag gegessen wird, dann ist es der Fisch.

domradio.de: Denken wir an die Eucharistie, dann sind Brot und Wein ja eigentlich auch eine vegane Mahlzeit. Ist das Zufall?

Rosenberger: Das spielt eine größere Rolle als uns vielleicht bewusst ist. Es war damals ja nicht einfach automatisch so festgelegt. Die Taufe und die Eucharistie sind zentrale Sakramente. Man hätte man damals ja auch fleischliche oder tierische Mittel dafür verwenden können. Das Paschamahl im Judentum zum Beispiel wird auch mit dem Lamm gefeiert, Lammfleisch und Ei. Das junge Christentum hat diese Tradition allerdings nicht übernommen, obwohl man davon ausging, dass das letzte Mahl Jesu wahrscheinlich ein Paschamahl gewesen ist, das hätte also durchaus nahe gelegen. Man sagt aber: Nein, und nimmt bewusst Brot und Wein. Das sind auch Teile des Paschamahles, aber eben die veganen Teile. Das hat auch damit zu tun, dass in der damaligen Zeit im Mittelmeer-Raum die pflanzlichen Produkte viel mehr wertgeschätzt wurden als die tierischen. Die tierischen Produkte hat man als barbarisch angesehen. Das gilt für das Fleisch, aber auch für die Milch. Die Römer haben die Germanen belächelt, weil sie Milch getrunken haben.

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.

Mehr zum Thema auch im Buch "Wie viel Tier darf's sein" von Michael Rosenberger, 160 Seiten, erschienen im Echter Verlag.


Prof. Dr. Michael Rosenberger / © Rosenberger (privat)
Prof. Dr. Michael Rosenberger / © Rosenberger ( privat )
Quelle:
DR