Fernseh-Doku geht dem "Geheimnis Kölner Dom" nach

Einheitsstifter - Heiligtum - Maskottchen

Ein Geheimnis wird verraten: der Lieblingsplatz von Dompropst Bachner in "seiner" Kathedrale. Ansonsten befasst sich eine neue TV-Doku über das Kölner Wahrzeichen vor allem mit einer Frage: der nach seiner Vereinnahmung.

Autor/in:
Alexander Brüggemann
Spitzen des Kölner Doms im Sonnenuntergang / © Marius Becker (dpa)
Spitzen des Kölner Doms im Sonnenuntergang / © Marius Becker ( dpa )

Er ist Gottes Haus, Kleinod der Hochgotik, Touristenmagnet, deutsches Nationaldenkmal; er ist Identitätsstifter der Kölner, Bischofskirche, Kulisse für Skater, Markenzeichen und Maskottchen; Unesco-Weltkulturerbe, Wirtschaftsfaktor, Deutschlands meistbesuchte Sehenswürdigkeit; Party- und Eventzone, Begräbnisstätte und Reliquienschrein, dritthöchste Kirche der Welt. Und nicht zuletzt: ein sehr verletzlicher Riese.

Geheimnis Kölner Dom

Ein neuer Fernsehfilm des WDR nähert sich an diesem Freitagabend dem "Geheimnis Kölner Dom" und seinen unzähligen Facetten. Die Macher wählen glückliche Perspektiven; lassen Menschen zu Wort kommen mit Kenntnis und Kölner Humor: Dompropst Gerd Bachner; Dombaumeister Peter Füssenich; den westfälischen Wahlkölner und Kabarettisten Martin Stankowski.

Der Grundstein für den Dom wurde 1248 gelegt. Das älteste Chorfenster von 1260 hatte so leuchtende Farben, dass die Gläubigen an Diamanten dachten. Doch mit der Reformation stoppte der Baubetrieb. Erst 1842, unter preußischer Herrschaft, wurde die Kathedrale weitergebaut und 1880 vollendet. Der Film lebt auch von seiner Durchsetzung mit rheinischer Süffisanz. Zum jahrhundertelangen Baustopp sagt Kabarettist Stankowski: "Mit dem Provisorium leben zu können, hat die Mentalität der Kölner tief geprägt." Köln sei keine schöne Stadt - "aber in ihrer Zweitklassigkeit spitze".

Spannende historische Bewegtbilder zeigen die Bombenschäden des Krieges, die Ziegelplombe im Nordturm; die Fronleichnamsprozession drei Wochen nach Kriegsende; zur 700-Jahr-Feier 1948 die erste Messe im notrenovierten Dom; die Rückkehr des Dreikönigenschreins.

Von der bislang spektakulärsten Straftat, dem Domschatzraub von 1975, berichtet die pensionierte Staatsanwältin Maria-Therese Mösch.

Begleitet mit Originalbildern aus "Aktenzeichen XY" wird der Weg der gestohlenen Schätze über die Einschmelzung in Belgrad bis zum Fund verstümmelter Reste in Italien als eine Art goldener "Salamiwurst" nachgezeichnet.

Sechs Millionen Besucher pro Jahr

Jedes Jahr zieht der Geschichtskoloss Dom sechs Millionen Besucher an. Pro Tag rund 20.000, hineingespült auch vom Hauptbahnhof in direkter Nachbarschaft. Der Film handelt von Wildpinklern und Witterungsschäden; fast 20.000 Euro pro Tag kostet der Erhalt.

Baumeister Füssenich: "Der Dom gibt den Takt vor." Arbeiten, die er heute plant, werden teils erst in 50 Jahren ausgeführt werden.

Hauptthema des Films sind weniger die angekündigten "Geheimnisse des Doms" als seine politische Vereinnahmung in den vergangenen 200 Jahren. Sinnfällig ist die als Nationaldenkmal nach der Reichsgründung 1871: der "deutsche Dom" als Symbol des Willens zu Vollendung und Vereinigung; von Preußen gebaut, gelegen am mit Erbfeind Frankreich umstrittenen Rhein.

Umwelt-Aktivisten, die sich am Domgerüst festketten; der deutsche Beitrag zum internationalen musikalischen Hilfsprojekt "Band Aid" 1985 auf der Domplatte. Die Femen-Aktivistin Josephine Witt, die zu Weihnachten 2013 barbusig im Dom demonstrierte, bekennt, wie nervös sie war - sie sei "ja auch selbst in Weihnachtsstimmung" gewesen. Und schließlich Fronleichnam 2016, als Kölns Kardinal Rainer Maria Woelki als Altar unter freiem Himmel ein Flüchtlingsboot aus Lampedusa nutzte.

Öffnung des Doms für Kirchenferne

Ein weiterer Schwerpunkt des Films: die Öffnung des Doms für Kirchenferne - so etwa für junge Raver während der "Gamescom" 2016 oder für eine Fan-Messe vor dem Bundesliga-Start. Tausende emporgereckte Schals zur Hymne des 1. FC Köln, gespielt von der Domorgel. Auf einen Zuschauereinwand bei der Vorpremiere, wer sowas mache, "schmeißt den Glauben aus dem Fenster", antwortete Dompropst Bachner: "Die Türen macht zu, wer Angst hat. Wer verankert ist, der kann sich öffnen. Wir müssen für die Menschen da sein, dürfen uns nicht in die Sakristei zurückziehen."

Spektakulär sind die um und im Dom entstandenen Drohnen-Bilder, etwa vom Spiel des Sonnenlichts mit dem Richterfester. Und dann verrät Autor Rüdiger Heimlich doch noch sein "Geheimnis" des Doms: "Alle projizieren etwas auf ihn; es gibt so viele Instrumentalisierungen, und doch stiftet er Einheit und Identität."


Quelle:
KNA