ZdK-Präsident mahnt Katholiken zu politischer Verantwortung

"Grundwerte und Demokratie achten"

Die Bundestagswahl vor Augen, die ersten Gehversuche des neuen US-Präsidenten Trump im Hinterkopf: ZdK-Präsident Thomas Sternberg blickt im domradio.de-Interview auf die politische Weltbühne - Appelle an Katholiken inbegriffen.

Thomas Sternberg / © Elisabeth Schomaker (KNA)
Thomas Sternberg / © Elisabeth Schomaker ( KNA )

domradio.de: Jeden Tag bekommen wir neue Geschichten aus den USA zu hören, die uns zeigen, dass man sich auf Präsident Trump nicht unbedingt verlassen kann. Jetzt hat er Zwischenfälle in Schweden offenbar komplett erfunden. Wie sehr verunsichert und beunruhigt Sie das?

Professor Dr. Thomas Sternberg (Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken): Das beunruhigt natürlich schon sehr. Man hatte ja eigentlich gehofft, dass nach diesem merkwürdigen Wahlkampf in dem Moment der Vereidigung von Präsident Donald Trump Vernunft einkehren würde. Jetzt erleben wir, dass das ganze Theater des Wahlkampfes in der Regierungsarbeit weitergeführt wird. Das ist wirklich sehr bedrohlich. Ich habe die Hoffnung, dass dieses stolze, große, alte demokratische Land der Vereinigten Staaten sich das nicht gefallen lassen wird und dass auch die Umgebung Trumps da mäßigend einwirkt.

domradio.de: Wir stehen in Deutschland ja auch vor der Wahl, der Bundestagswahl im September. Vor vielen, vielen Jahren war es noch üblich, dass Priester auf der Kanzel Wahlempfehlungen ausgesprochen haben. Sonntags ging man in die Kirche und der Priester sagte, man solle die christliche Partei, die CDU, wählen. So etwas ist vorbei. Es gilt es eigentlich sogar als übergriffig, sich da einzumischen und konkrete politische Aussagen zu treffen. Hat sich daran etwas geändert, seitdem Parteien wie die AFD immer mehr Zulauf bekommen?

Sternberg: Ich glaube, die AfD sollte man nicht überbewerten. Das ist im Moment noch eine Sammelbewegung, von der man nicht genau weiß, wohin sie sich entwickelt. Ich bin gar nicht böse darum, dass sich die SPD wieder in der politischen Arena zurückgemeldet hat und dass auch wieder deutlich wird, wo und wie unter Demokraten die Auseinandersetzungen stattfinden. Die Konzentration auf diese Bewegung war völlig unangemessen und unsachgerecht. Ich glaube, wir haben in Deutschland eine demokratische Tradition, bei der wir in den Wahlkämpfen darauf achten, dass argumentiert wird und nicht mit Tiefschlägen gearbeitet wird sowie Ressentiments bedient werden. Ich hoffe, das wird auch bei diesem Wahlkampf so bleiben. Weder die Deutsche Bischofskonferenz noch das ZdK werden für eine Partei Wahlempfehlungen abgeben. Das versteht sich von selbst. Aber wir werden als ZdK eine Erklärung zum Thema Demokratie fertigen, um deutlich zu machen, um welche Werte es in der Demokratie geht.

domradio.de: Und was erwarten Sie für die Wahl in Deutschland? Wird die AfD drittstärkste Partei im Bundestag werden, wie die momentanen Prognosen vorhersagen?

Sternberg: Ich will da keine Prognosen abgegeben. Da kann sich ohnehin noch sehr viel ändern. Die Wahlentscheidungen werden manchmal erst am Wahltag oder in der Woche davor getroffen. Es weiß niemand, was in der Zeit bis dahin noch alles auf uns zukommt und passieren wird. Ich bin im Moment aber durchaus zuversichtlich, dass eine überwältigende Mehrheit im Land demokratische Positionen vertritt.

domradio.de: Viele Menschen sind verunsichert - wegen Donald Trump, wegen der neuen nationalen Bewegungen in vielen Ländern, wegen der immer aggressiver werdenden Hassbotschaften im Internet. Was empfehlen Sie ganz konkret? Wie kann man aus dieser Verunsicherung auch als gläubiger Katholik etwas Positives machen?

Sternberg: Ich glaube, es ist ganz wichtig aus einer christlichen Zuversicht heraus zu sagen, wie wir bestimmte Grundwerte, die auch unsere Demokratie bestimmen und die auch unseren Staat immer bestimmt haben, hochhalten. Dazu gehört beispielsweise die Menschenwürde - und zwar die Menschenwürde jedes Einzelnen, nicht des Deutschen, sondern jedes einzelnen Menschen. Wir müssen die Würde des Menschen als unantastbar sehen und uns für den Einzelnen unabhängig einsetzen, egal wie wir in politischen Fragen stehen mögen. Es dürfen politische Grundstandards einfach nicht verletzt werden. Dazu gehört übrigens auch die völlige Verrohung in der Sprache, wie wir heute leider feststellen müssen. Das ist offenbar hoffähig geworden. Da müssen wir uns mit aller Kraft gegenstellen und müssen deutlich machen, dass Demokratie auch davon lebt, dass es Umgangsformen gibt, die bestimmte Grundregeln nicht verletzen.

domradio.de: Demokratie wird also von jedem Einzelnen mit dem, was er oder sie ins Internet schreibt, erschaffen?

Sternberg: Das ist ganz richtig und wichtig. Ich glaube, wir werden eine humane Gesellschaft nur aufrechterhalten können, wenn sich alle an bestimmte Grundstandards halten und übelste Beleidigungen, Todesdrohungen und Ähnliches, was viele erleben müssen, die sich zu Fragen, die bei anderen auf Widerstand stoßen, äußern, verurteilen.

Das Interview führte Silvia Ochlast.


Quelle:
DR