Er äußerte sich vor dem Hintergrund, dass es habe schon immer rechte Gruppierungen wie etwa die Republikaner oder Pro NRW gegeben habe. Anders als diese Parteien kämen die Wähler der AfD nicht von irgendwelchen Rändern, sondern aus der Mitte der Gesellschaft. "Der berühmte Satz 'Der Antisemitismus ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen', ist aus unserer Sicht wahr", sagte Lehrer vor Oberstufenschülern des Bonner Beethoven-Gymnasiums.
Es hat sich etwas verändert
Inzwischen trauten sich Menschen mit solchen Haltungen wieder, ihre Meinung klar zu äußern. Anders als vor etwa fünf Jahren kämen antisemitische Briefe heute nicht mehr anonym, sondern mit der richtigen Adresse, sagte der 63-Jährige, dessen Eltern Überlebende des Holocaust waren. "Das hat sich ganz klar verändert, und die AfD schwimmt oben drauf."
So hätten in einem Programmentwurf der AfD Themen wie Beschneidungsverbot und Schächtverbot gestanden, sagte Lehrer weiter. "Das bezog sich angeblich nur auf Muslime." Doch könne das "in fünf Minuten umgeschwenkt sein hin zu den Juden." Daher warne er "ganz eindringlich" vor der Partei.
"Parteiprogramm lesen"
Lehrer rief die Jugendlichen dazu auf, Parteiprogramme zu studieren und sich mit der Geschichte zu befassen. "Eins sollten wir von 1933 gelernt haben: Da hieß es oft zur Begründung: Wir haben's nicht gewusst, nicht geahnt, was Hitler vorhatte", sagte Lehrer, der auch Vorstandsmitglied der Synagogengemeinde Köln ist. "Aber wenn man das Parteiprogramm gelesen hätte - da stand es drin!"
Als Deutsche hätten die Jugendlichen eine Verantwortung, sich mit ihrer Geschichte zu beschäftigen, "damit sich sowas nicht noch einmal wiederholt", sagte Lehrer. "Aber Ihr tragt keine Schuld. Daran gibt es nichts zu deuteln. Punkt."
AfD-Parteitag in Köln "ertragen"
Ein juristisches Vorgehen gegen den AfD-Bundesparteitag im April in Köln hätte nach Einschätzung der Jüdischen Gemeinde kaum Erfolg. Es sei damit zu rechnen, dass ein Gericht auf das demokratische Recht einer Partei verweisen werde, sagte Lehrer. "Wir leben in einem demokratischen Staat. Also müssen wir es wohl ertragen", so der Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland.
Dass der Parteitag am 22. und 23. April ausgerechnet im "so schönen Kölle" stattfinde, das immer als liberal und "rheinische Frohnatur" beschrieben werde, sei "schade", sagte der 62-Jährige. "Dass es immer wieder in Maritim-Hotels passiert, könnte man anders beurteilen."
Die Kölner Synagogengemeinde hatte am 2. März einen Brief an die Eigentürmer der Maritim-Kette veröffentlicht mit der Aufforderung, den Vertrag mit der Partei zu lösen. Darin war auf die Rede des Thüringer AfD-Landesvorsitzenden Björn Höcke vom 18. Januar verwiesen worden, in der er das Holocaust-Mahnmal als "Denkmal der Schande" bezeichnet hatte. Inzwischen hat das Hotel laut Lehrer "dem Herrn Höcke Hausverbot gegeben" und "uns zugesagt, dass sie in Zukunft keine AfD-Veranstaltung mehr vertraglich vereinbaren werden". Er könne aber nicht beurteilen, ob das Hotel aus dem Vertrag herauskomme oder nicht.