Mithilfe eines "Marshallplans mit Afrika" will Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) den Nachbarkontinent unterstützen und die Partnerschaft neu ausrichten. Der Anklang an das Wiederaufbauprogramm der USA für das im Zweiten Weltkrieg zerstörte Europa klingt ambitioniert. "Der Marshallplan zeigt die Dimension einer langfristigen neuen Partnerschaft mit Afrika", erklärte Müller an diesem Dienstag bei einem Treffen mit der Afrikanischen Union (AU) in Addis Abeba die Namenswahl.
So betont das 33-seitige Papier, dessen Eckpunkte Müller bereits im Januar in Deutschland vorgelegt hatte, das "mit Afrika" und nimmt Abstand von einem "für". Der Plan sei eine gemeinsame Diskussionsgrundlage für die kommenden Jahre, die es nun auszuarbeiten gelte, sagte Müller. "Sie bestimmen den Kurs, wohin Afrika geht, nicht wir die Deutschen oder Europäer mit einem Plan", bekräftigte Müller und fügte hinzu: "Uns alle eint die große Aufgabe, ein vereintes, solidarisches und friedliches Afrika zu schaffen."
"Zukunftskontinent"
Müller setzt dabei auf die Chancen des "Zukunftskontinents" und private Investoren: "Von den 20 Ländern mit den höchsten Wachstumsraten liegen elf in Afrika." Bislang würden deutsche Firmen zu stark nach Asien schauen. Öffentliche Entwicklungsgelder könnten zwar Leuchtturmprojekte ermöglichen, für die immensen Herausforderungen reichten sie aber nicht. Zugleich warnt Müller in dem Papier, dass der Migrationsdruck auf Europa ohne Lebensperspektiven für die junge afrikanische Bevölkerung in den kommenden Jahren drastisch steigen werde.
Bis 2050 soll sich Afrikas Bevölkerung verdoppeln. Das verlange nach 22 Millionen neuen Arbeitsplätzen pro Jahr, heißt es in dem Papier. Die Zukunft des Kontinents ist auch Schwerpunkt der G20-Präsidentschaft Deutschlands. Und in Brüssel arbeitet man an einem Nachfolgevertrag des Cotonou-Abkommens, das die Zusammenarbeit von 2020 an auf eine neue Grundlage stellen soll.
Mit seinem Plan will Müller an die Agenda 2063 der Afrikanischen Union (AU) anknüpfen. Die Staats- und Regierungschefs der AU hatten sich 2015 in Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba auf ein Programm zur sozialen und wirtschaftlichen Transformation in den kommenden 50 Jahren geeinigt. Es soll dem Frieden und der Sicherheit dienen und sieht unter anderem eine gute Regierungsführung, die Überwindung von Korruption, mehr Bildung und die Gleichberechtigung von Frauen vor.
Reformpartnerschaften
Diese Ziele soll der Marshallplan im Sinne sogenannter Reformpartnerschaften unterstützen, drei erste Partnerländer werden aktuell gesucht. Das bedeutet für Müller auch, die Entwicklungszusammenarbeit künftig enger an Voraussetzungen zu knüpfen: Partner, die Reformen für gute Regierungsführung, den Schutz der Menschenrechte und wirtschaftliche Entwicklung umsetzen, sollen bevorzugt werden. Mit mehr Rechtsstaatlichkeit hofft Müller, verlässliche Bedingungen für Investoren zu schaffen - von der Autoindustrie bis zur Müllbeseitigung.
Zur Stärkung Afrikas auf internationaler Ebene spricht sich der Plan für einen festen Sitz des Kontinents im Weltsicherheitsrat, einer stärkeren Position bei der Welthandelsorganisation (WTO) sowie mehr Zusammenarbeit europäischer und afrikanischer Institutionen aus.
Zur gerechteren Gestaltung des globalen Ordnungsrahmens fordert der Plan faire Handelsbedingungen, den Kampf gegen illegale Finanzströme und einen Stopp von Waffenlieferungen in Krisengebiete. Laut Bericht gehen afrikanischen Ländern durch Steuervermeidung multinationaler Unternehmen jährlich rund 100 Milliarden Euro verloren - gut doppelt so viel Mittel wie die gesamten Entwicklungsgelder.
Fairer Handel
Ein fairer Handel statt reinem Freihandel bedeutet nach Müllers Worten, afrikanische Märkte vor Billigprodukten aus Industrieländern zu schützen. "Die Handelsbeziehungen zwischen Europa und Afrika sind nicht fair", sagte Müller. Das müsse sich ändern.
Das Papier ist vor allem eine systematische Zusammenfassung bereits bekannter Ideen. Müller versteht es als "Anstoß für ein Gesamtkonzept". In Richtung Wirtschaft mahnt er, in Afrika nicht den Anschluss zu verpassen und lukrative Märkte - von Rohstoffen bis zu Infrastrukturprojekten - nicht China, Russland oder der Türkei zu überlassen.