"Lieber Osterhase, wie groß bist du? Hast du auch Helfer wie der Weihnachtsmann? Und wie kommst Du eigentlich zu uns?" Es sind Fragen wie diese, die Kinder aus aller Welt in diesen Tagen per Brief an den Osterhasen richten - und sie erhalten eine Antwort. Dafür sorgt Hanni Hase in Ostereistedt, dem Sitz des Osterhasenpostamts der Deutschen Post.
Auch in diesem Jahr rechnen die Verantwortlichen dort wieder mit insgesamt rund 35.000 Zuschriften. Dutzende Stapel mit bunt bemalten Briefen liegen auf dem Tisch. Selbst gebastelte Osterhasen an der Wand, Frühlingsblumen auf der Fensterbank und Schoko-Eier auf dem Tisch sorgen für österliche Stimmung. Weil Hanni Hase selbst nicht schreiben kann, beantworten zehn Sekretäre, die meisten von ihnen Postbeamte im Ruhestand, die zahlreichen Zuschriften. Mitte März haben sie in diesem Jahr ihre Arbeit aufgenommen.
Alte Hasen formulieren Antworten
"Wir alten Hasen sorgen dafür, dass jedes Kind, das an den Osterhasen schreibt, eine Antwort bekommt", sagt Chef-Sekretär Hans-Hermann Dunker (78). Durch 70 bis 100 Briefe arbeitet er sich durchschnittlich am Tag - und hat schon so manche lustige, aber auch traurige und anrührende Geschichten gelesen.
Eigentlich hat der Name des 900-Seelen-Dorfs Ostereistedt im nördlichen Niedersachsen überhaupt nichts mit dem christlichen Fest zu tun. Historiker vermuten, dass er auf eine "Eichenstätte" zurückgeht. "Alles begann im Jahr 1982", erzählt Wilhelm Fitschen (86), einer der Gründerväter des Osterhasenpostamts. Eine Hamburger Werbeagentur kam auf die Idee, ob man nicht Zuschriften an den Osterhasen beantworten wolle.
Schnell habe man den Namen Hanni Hase ersonnen und losgelegt. "Anfangs haben wir Schokolade aus der Kaffeekasse bezahlt und mit in die Briefe gelegt", erinnert sich Fitschen. Doch als aus den anfangs 120 bis 150 Briefen mehrere Tausend wurden, sei das irgendwann nicht mehr möglich gewesen.
Heute erhält jeder Absender einen vorgefertigten Brief von Hanni Hase als Antwort. Dazu gibt es eine kleine Überraschung wie eine Bastel-Idee oder ein Kochrezept. Die Adresse schreiben die Sekretäre handschriftlich auf jedes Kuvert. "Und wenn wir ganz besondere Briefe erhalten, dann antworten wir auch mit ein paar persönlichen Zeilen", sagt Hans-Hermann Dunker.
Möhren als Bestechung
Er zeigt den Brief eines Jungen, der sich Stricknadeln und Wolle zum Osterfest wünscht. Farbe und Größe der Wollknäuel hat er aufgemalt, Details zur Stärke der Nadeln angegeben, dazu die Bitte: "Osterhase, versteck es sehr sehr gut." Ein anderer junger Schreiber wünscht sich Rollschuhe. Damit sie auch passen, hat er seinen Fuß maßstabsgerecht aufgezeichnet.
Gelegentlich erhält Hanni auch kleine Geschenke, wie selbst gebastelte Fensterbilder, Schokolade, auch ein Päckchen mit Möhren steckte schon einmal in einem Umschlag." Sozusagen als kleiner Bestechungsversuch", sagt Dunker und lacht.
So manche Frage hat den Ruheständler in seiner 19-jährigen Osterhasen-Laufbahn überrascht: Ein Schachspieler fragte etwa, ob er eine Idee habe, wie er nach nur zwei Zügen den schwarzen König in die Knie zwingen können. Für Dunker war klar, was zu tun war: "Ich habe das Rätsel gelöst und die Antwort zurückgeschickt."
Gelegentlich liest der Chef-Sekretär Geschichten, die ihn traurig stimmen: Ein Achtjähriger schildert, dass er nur auf einem Ohr hören könne und eine Gehörlosen-Schule besuchen müsse. "Das ist nicht schön", schreibt er. Ein kleines Mädchen berichtet dem Osterhasen von ihrem größten Wunsch: Frieden auf der Welt. "Die Häuser sollen nicht brennen, Bomber sollt' man nicht kennen", dichtet sie. Dunker muss schlucken, als er diese Zeilen liest.
Auch Erwachsene schreiben
Die Zuschriften stammen längst nicht nur von Kindern. "Gelegentlich schreiben auch Erwachsene, die ihre Sorgen loswerden möchten." Ob vom Streit mit dem Partner, von Krankheitsfällen in der Familie oder Problemen, die Miete zu bezahlen. Es gibt fast nichts, was Hanni Hase nicht schon gelesen hätte. Vermehrt erreichen das Langohr auch Briefe aus dem Ausland, die meisten aus China und Taiwan. "Erklären kann ich das nicht, aber offenbar gibt es dort einen Hype um den Osterhasen."
Neben Ostereistedt gibt es übrigens weitere privat betriebene Hasenpostämter in Deutschland, etwa in Osterhausen in Sachsen-Anhalt oder in der Oberlausitz. Bei allen Zuschriften an das Langohr ist wichtig: die eigene Adresse nicht vergessen, sonst hat der Osterhase keine Chance, zu antworten.
In Ostereistedt werden Hanni und seine Helfer noch bis zum Gründonnerstag im Einsatz sein und sich durch die Körbe mit den Briefe arbeiten, die nun jeden Tag voller werden. Das sei viel Arbeit, aber kein Stress, sagt Hans-Hermann Dunker: "Es macht Spaß, den Kindern eine Freude zu machen. Und nebenbei ist es auch schön, mit den alten Kollegen zusammenzusitzen."
Und was antworten die Schreiber, wenn Sie beispielsweise nach der Arbeitsweise des Osterhasen gefragt werden? "Manchmal schreiben wir, dass er mit einem Fliwatüt durchs Land fährt. Und dass er Helfer hat, ist ja ohnehin klar." Details über Hanni geben die Sekretäre aber nicht preis: "Manches muss ja auch ein kleines Geheimnis bleiben."