Kölner Pfarrer beendet Einsatz auf Flüchtlingsrettungsboot

"Körperlich und emotional ermattet"

Er hat das Osterwochenende auf dem Schiff der Seenotrettungsorganisation MOAS verbracht und nun wieder Land unter den Füßen: Der Kölner Pfarrer Regamy Thillainathan berichtet im Interview von Flüchtlingsrettung auf hoher See.

MOAS-Retter im Einsatz / © MOAS.eu/Jason-Florio
MOAS-Retter im Einsatz / © MOAS.eu/Jason-Florio

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Pfarrer Regamy Thillainathan (Leiter der Diözesanstelle "Berufe der Kirche" im Erzbistum Köln): Noch auf dem Schiff in der sizilianischen Hafenstadt Augusta. Wir haben heute Morgen um 7.00 Uhr Stück für Stück angefangen, die Menschen an Land zu bringen. Das zieht sich in die Länge, weil die Registrierung und die ganzen Sicherheits- und Gesundheitschecks laufen müssen. Wir warten darauf, dass wir auch die letzten Passagiere sicher an Land bringen können und dann geht es wieder zurück nach Malta.

domradio.de: Wie geht es Ihnen jetzt nach diesem sicher anstrengenden Wochenende auf hoher See?

Pfarrer Regamy: Ich bin müde. Ich merke schon, dass ich sowohl körperlich als auch emotional ermattet bin. Wir haben heute Morgen auch die sieben Verstorbenen von Bord gebracht. Die haben hier bei uns auf hoher See ungekühlt gelegen. Als dann noch einmal die ganzen Leichensäcke aufgemacht werden mussten, um die Registrierung vorzunehmen, merkte ich schon, dass es sehr viel Kraft kostet, den toten Menschen ins Gesicht zu schauen.

domradio.de: Das war ein extremes Wochenende, das Sie da hinter sich haben. Es sind so viele Menschen im Mittelmeer in Schlauchbooten unterwegs gewesen, dass die Rettungsboote regelrecht überfordert waren. Sie waren ja nicht nur zum Gucken da, sondern haben richtig mit angepackt. Wie konnten Sie denn helfen?

Pfarrer Regamy: Ursprünglich hatte ich die Aufgabe, beim sogenannten "post rescue team" mitzuarbeiten, was bedeutet, sobald die Leute gerettet sind, sie zu registrieren, ihnen eine Erstversorgung zukommen zu lassen und abends und nachts Wachen zu übernehmen. Aber ich bin am Sonntag mit dem Team auch selber mit dem Schnellboot rausgefahren und habe Menschen tatsächlich mit aus dem Wasser gezogen. In den letzten Tagen war ich hauptsächlich in der Krankenstation und habe, so gut es ging, dort ausgeholfen. Das war also ein breites Spektrum an Aufgaben und Erfahrungen.

domradio.de: Es gab tatsächlich so viel zu tun, dass Sie die Ostermesse auch nur mit Verspätung feiern konnten, oder?

Pfarrer Regamy: Richtig. Samstagabend wollten wir ursprünglich die Osternacht feiern. Aber als wir Samstagmorgen schon gegen 2.30 Uhr in Bedrängnis geraten sind, weil wir um 2.000 Menschen auf unserem Boot hatten, die Kapazitäten aber bereits mit 500 schon erfüllt waren, haben wir ein Notrufsignal abgesetzt und um Hilfe gebeten. Bis dann Hilfe von den anderen Organisationen kam - es gab keine Hilfe von staatlicher Seite aus -, hat es bis Sonntag gedauert. Am Sonntag kamen dann auch die Toten dazu, so dass wir erst Montagnacht die Gelegenheit hatten, Gottesdienst zu feiern.

domradio.de: Jetzt lesen wir von Kritik an Seenotrettern selbst. Der Frontex-Chef beispielsweise behauptet, die Flüchtlingsströme würden durch solche Rettungsaktionen noch begünstigt. Wie finden Sie diese Äußerung?

Pfarrer Regamy: Es ist absolut zynisch, so etwas zu behaupten. Egal ob wir dagewesen wären oder nicht, die Leute wären rausgefahren. Ich habe mit vielen gesprochen, die diese gefährliche Reise auf sich genommen haben. Sie sagten, da es über die Türkei keine Möglichkeit mehr gibt, sei es klar, diesen Weg über das Mittelmeer zu wählen. Man hätte es voraussehen können: Sobald man eine Seite schließt, wird man versuchen, eine andere Seite zu finden. Den Menschen in Libyen ist klar, dass nur dieser Weg machbar ist - und in Libyen warten noch Millionen auf die Überfahrt.

domradio.de: Welches Bild hat sich Ihnen von diesen Tagen mit den Flüchtlingen am meisten eingeprägt?

Pfarrer Regamy: Ich nehme mit nach Hause, dass es Menschen gibt, die ihr Herz auf dem rechten Fleck haben. Wenn ich nur alleine die Crew-Mitglieder anschaue, die aus elf verschiedenen Nationen hier vor Ort Unglaubliches geleistet hat. Als wir die Leichensäcke von Bord gebracht haben, da haben wir gemeinsam davor gestanden und viele haben geweint. Da merkt man einfach, es gibt Menschen, die in gut gemeintem Sinne mitleiden. Das stärkt mich schon in dem Sinne, weil ich glaube, dass es nicht darauf ankommt, wieviel man tun kann, sondern dass man das, was man tun kann auch tut und daran glaubt, dass dieses Kleine irgendwann Kreise ziehen wird.

Das Interview führte Hilde Regeniter.


Pfarrer Regamy Thillainathan in Schutzkleidung  (DR)
Pfarrer Regamy Thillainathan in Schutzkleidung / ( DR )

Pfarrer Regamy Thillainathan auf dem Schiff der MOAS (DR)
Pfarrer Regamy Thillainathan auf dem Schiff der MOAS / ( DR )
Quelle:
DR