Sozialpfarrer Meurer zum Protest gegen den AfD-Parteitag

"Wenn man nicht miteinander redet, ist Demokratie für die Katz"

Zum AfD-Parteitag in Köln werden am Wochenende rund 50.000 Gegendemonstranten erwartet. Redner ist unter anderem der Kölner Sozialpfarrer Franz Meurer. Er bemühe sich, FÜR Demokratie statt GEGEN die AfD zu sprechen, sagte er gegenüber domradio.de. 

Pfarrer Franz Meurer / © Melanie Trimborn (DR)
Pfarrer Franz Meurer / © Melanie Trimborn ( DR )

domradio.de: Was ist Ihre Botschaft am Samstag?

Pfarrer Franz Meurer (Pfarrer in den Kölner Stadtteilen Höhenberg und Vingst): Ich werde versuchen, nicht so sehr gegen die AfD zu sprechen - das machen bestimmt andere - sondern für Demokratie. Denn ich muss Ihnen offen sagen: Ich kann verstehen, wenn jemand AfD wählt, der den Eindruck hat, ich komme gar nicht vor, um mich kümmert sich keiner. Ich kann auch verstehen, dass Leute bei uns gar nicht wählen. Wir haben in Vingst einen Stimmbezirk mit neun Prozent Wahlbeteiligung. Und von daher ist klar: Wenn wir die Demokratie erhalten wollen, müssen wir zusammenhalten, müssen wir füreinander arbeiten. Wir müssen soziale Ungerechtigkeit angehen und die, denen es gut geht, motivieren, nicht nur abzugeben, sondern sich am gesellschaftlichen Gespräch zu beteiligen. Wenn Sie so wollen, ist das unsere katholische Soziallehre pur - Subsidiarität, Solidarität.

domradio.de: Die Kirchen stellen sich ja als Initiative zum Beispiel mit "Unser Kreuz hat keine Haken" ganz klar gegen die AfD. 

Meurer: Das ist doch wunderbar, besser geht es doch gar nicht. Da ist ja auch eine Entwicklung festzustellen. Unser neuer Papst gibt uns da eine klare Vorgabe. Von ihm wird gesagt, er schaut auf die Welt aus der Position eines Schuhputzers. Das heißt, er guckt von den Menschen her auf die Welt. Es ist ja nicht nur wichtig, Gerechtigkeit anzutreben - die wird es nie ganz geben - und zu gucken, was steht jedem Einzelnen zu. Sondern wir müssen auch Solidarität neu entdecken. Das heißt, wir müssen uns fragen: Was kann ich verschenken? Und nicht: Was steht mir zu? Und all das, was wir als Christen als Kern unseres Glaubens spüren, ist doch geschenkt. 

domradio.de: Wir bekommen ja hier auch immer viele Rückmeldungen, wenn wir über die AfD sprechen. Der Kirche wird unter anderem immer wieder vorgeworfen, als Christ achte man jeden, solange er nicht sein Kreuz bei der AfD mache. Was sagen sie diesen Leuten? 

Meurer: Ich achte die Würde der AfD-Leute sehr. Heute hat mir jemand, der die AfD vertritt, einen vierseitigen Brief geschrieben - dem werde ich natürlich ordentlich antworten. Das, was jetzt gefragt ist, hat für mich die schwedische Kronprinzessin am besten auf den Punkt gebracht. Als sie nach dem schrecklichen Anschlag in Stockholm gefragt wurde, was jetzt nötig sei, hat sie ein einziges Wort gesagt: Zusammen.

Wir müssen natürlich durchdeklinieren; was heißt "zusammen". "Für" nicht "gegen", "mit" nicht "ohne", "bei" nicht "neben". Hier in Köln finde ich drei Sachen wichtig. Erstens müssen wir die Kommunalpolitiker achten und ihnen danken, denn die machen das ehrenamtlich. Zweitens müssen die Politiker begreifen: Wir Wählerinnen und Wähler wollen nicht mehr hören, wie blöd die anderen Parteien sind, sondern wir wollen - und das ist das Dritte - in den sozialen Fragen eine kölsche Fraktion. Die müssen wir neu beleben.

Wir sind nicht mehr in einer Aufsteigergesellschaft, deshalb können wir auch nicht immer noch mehr verteilen. Statt dessen befinden wir uns eher in einer Abstiegsgesellschaft. Das heißt, wir müssen uns damit abfinden, dass es nicht immer von allem noch mehr geben muss. Aber die Verteilung fair zu gestalten - zum Beispiel die Verteilung des Vermögens durchaus neu anzudenken - das ist jetzt wichtig. 

Aus kirchlicher Sicht haben wir gar kein Problem, zum Beispiel zu sagen: Wir wollen eine Vermögensteuer oder wir wollen eine andere Erbschaftsteuer. Das muss aber vernünftig durchdekliniert werden. Meine Meinung ist: Nach dem Jahr der Barmherzigkeit ist jetzt ein Jahr der Vernunft angesagt. 

domradio.de:... und des Dialogs, wenn ich Sie sprechen höre.

Meurer: Aber selbstverständlich. Wenn man nicht spricht, wenn man nicht miteinander redet, ist Demokratie für die Katz.