Zuletzt schien die AfD etwas zu schwächeln. Der Einzug in den Bundestag nach den Wahlen im Herbst ist aber kaum gefährdet. Wohl auch dann nicht, wenn die Führungskämpfe nach dem Verzicht Frauke Petrys auf die Spitzenkandidatur weitergehen. Die Zukunft der AfD treibt nicht nur ihre Anhänger um, sondern auch die Menschen auf die Straße. Das zeigt sich auch vor dem Bundesparteitag der AfD in Köln.
Die Polizei rechnet für Samstag und Sonntag mit rund 50.000 Gegendemonstranten in der Domstadt; rund 4.000 Beamte sind im Einsatz.
An den Protesten wollen sich auch die Kirchen beteiligen. Gewaltfrei, wie sie betonen. Und unter Bezug auf christliche Grundüberzeugungen. "Aufgrund unseres Glaubens treten wir ein für Nächstenliebe, Toleranz und ein solidarisches Miteinander", umschreibt der katholische Kölner Stadtdechant Robert Kleine die Ziele der Aktionen, die unter dem Motto "Unser Kreuz hat keine Haken" stehen. Der evangelische Stadtsuperintendent Rolf Domning verwies auf die Aufforderung Jesu: "Du sollst den Nächsten lieben wie Dich selbst."
AfD-Wahlprogramm und die Kirchen
Einen kleinen Haken hat die Sache aber dann doch, und das macht die Auseinandersetzung mit der AfD aus Sicht der Kirchen schwierig. Wer den fast 70 Seiten umfassenden Entwurf für das Wahlprogramm liest, stößt auf Formulierungen, die durchaus auch unter Katholiken und Protestanten Zustimmung finden dürften. Dazu gehört beispielsweise der ausdrückliche Schutz von Ehe und Familie.
Manch einer wird auch die Absage an die sogenannte Gender-Ideologie teilen und "eine einseitige Hervorhebung der Homo- und Transsexualität im Unterricht" als "unzulässigen Eingriff in die natürliche Entwicklung unserer Kinder" verurteilen. Und ein Satz wie "Jeder Migrant oder Einwanderer hat eine Bringschuld, sich selbst zu integrieren", könnte auch aus den Reihen von CDU und CSU kommen.
Die AfD ist aber auch eine Partei der schrillen Töne. So fordert ein Antrag, die Abschaffung der Kirchensteuer ins Wahlprogramm aufzunehmen. Die Begründung: Die Vertreter der christlichen Kirchen hätten durch ihre "einseitigen, demokratiefeindlichen Stellungnahmen und Handlungen gegen die legitimen Positionen der AfD" jegliches Anrecht auf Unterstützung durch ein demokratisch organisiertes Gemeinwesen verwirkt.
Das mögen Einzelmeinungen sein. Aber die Debatte über den Einsatz von Schusswaffen an der Grenze oder die Einlassungen des Fraktionsvorsitzenden im Thüringer Landtag, Björn Höcke, zum Gedenken an den Judenmord der Nazis zeigen, wie die AfD immer wieder ins Extremistische abrutscht. Hier haben sich die Kirchen deutlich positioniert. "Wir müssen klare Kante zeigen gegenüber allen Versuchen, 'völkisches' Gedankengut und rechtsextremistische Kampfrhetorik in unserem Land wieder salonfähig zu machen", forderte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, im Herbst.
Eindeutige Grenzen
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, sagte am Osterwochenende im Interview des Deutschlandfunks: "Man sollte nicht immer über eine Partei reden, sondern man sollte über Inhalte reden." Für Christen seien eindeutige Grenzen gezogen: Einer nationalistischen und fremdenfeindlichen Fahne dürften sie nicht folgen. Wahlempfehlungen will aus guten Gründen niemand aussprechen. Auseinandersetzen, explizit auch mit der Partei, wird man sich aber spätestens nach den Bundestagswahlen. Die Hoffnung, dass sich das Problem von selber löst und die AfD wieder in der Versenkung verschwindet, hegt wohl niemand mehr.
Als erstes werden sich deswegen das Katholische und das Evangelische Büro in Berlin fragen müssen, wie sie ab Herbst die Kontakte mit den Rechtspopulisten gestalten wollen. In Köln ziehen die Demonstranten aus den Kirchen mit einem bunten Kreuz auf die Straßen. In den Farben Schwarz, Rot und Gold wie bei den Pegida-Märschen soll es nicht gehalten sein. "Es gibt kein deutsches Christentum", betont Stadtdechant Kleine. Und in der politischen Auseinandersetzung, so hoffen sie nicht nur in Köln, gibt es keinen Platz für dumpfen Nationalismus und rassistische Töne, der Teile der Pegida-Bewegung und der AfD miteinander verbindet.