Kardinal Woelki über die Jugendsynode

"Die Kirche ist keine Moralanstalt"

Vor der Bischofssynode zum Thema Jugend will das Erzbistum Köln mit der Jugend in den Dialog treten. Im Interview: Kardinal Woelki über seine Erwartungen und die Rolle der Kirche in der Lebensrealität der Jugend.

Kardinal Woelki trifft die Jugend / © dr (DR)
Kardinal Woelki trifft die Jugend / © dr ( DR )

domradio.de: Hat Sie die Einberufung einer Jugendsynode durch Papst Franziskus überrascht?

Rainer Maria Kardinal Woelki (Erzbischof von Köln): Ich hatte eher damit gerechnet, dass der Papst Fragen der Synodalität und der Verantwortung der nationalen Bischofskonferenzen in das Zentrum einer neuen Bischofsynode stellen würde. Insofern war ich tatsächlich überrascht, als er ankündigte, über die Situation der jungen Leute sprechen zu wollen. Aber ich bin sehr damit einverstanden.

domradio.de: Im Vorfeld der Synode gibt es eine Befragung, das Erzbistum Köln will sogar einen eigenen Fragebogen erstellen. Warum?

Woelki: Die Fragen, die uns vorliegen, sind eher allgemeiner Art gewesen. Also Fragen nach der Jugendseelsorge und den Einrichtungen, die wir haben. Die eigentliche Befragung der jungen Leute soll im Mai starten. Wir gehen davon aus, dass die Fragen vor dem universalkirchlichen Hintergrund gestellt werden und damit nicht unbedingt die Sprache der jungen Menschen hier vor Ort sprechen. Daher haben wir mit unserem Diözesanjugendseelsorger eine Gruppe von Jugendlichen installiert, die das, was da aus Rom kommt, in eine entsprechende jugendgemäße Sprache übersetzen wird. Wir wollen also schauen, welche Anfragen aus Rom kommen und dann darüber hinaus Fragen anbieten und stellen, die uns konkret hier im Bistum interessieren. Wir wollen den Jugendlichen hier im Erzbistum eine Stimme geben und mit ihnen zusammen die Zukunft der Kirche gestalten.

domradio.de: Es geht ja darum, welche Rolle Kirche und Glaube im Leben der Jugendlichen noch spielt, oder?

Woelki: Jugendliche fragen danach, wie ihr Leben gelingen kann, was ihr Leben gut und glücklich sein lässt. Jugendliche haben in der Regel einen hohen Wertekanon, sie stellen Fragen nach einer sozialen Gerechtigkeit, nach Frieden. Sie lehnen in der Regel Krieg und Gewalt ab. Es geht auch darum, wo es Halt und Orientierung gibt. Und wenn wir mit den Jugendlichen ins Gespräch kommen, können wir helfen, Antworten für ihr Leben zu finden, Antworten, wie sie das Evangelium und der Glaube der Kirche anbietet.

domradio.de: Bei der Familiensynode lag der Fokus der Öffentlichkeit auf einigen bestimmten Reizthemen, auch bei den Jugendlichen wird es um Themen wie Sexualität und Partnerschaft gehen. Zu befürchten ist, dass da eine Kluft zu sehen sein wird zwischen dem Leben der Jugendlichen und dem, was die Kirche als Norm vorgibt, oder?

Woelki: Erst einmal ist es wichtig, dass die Jugendlichen ihre Sichtweise zum Ausdruck bringen können und dass wir das als Kirche wahrnehmen. Ich glaube, dass es eine Kluft immer schon gegeben hat, die ist nicht neu. Die Kirche ist aber keine Moralanstalt, sondern sie will aus ihrer Erfahrung, ihrem Glauben und dem Evangelium heraus, Hilfen anbieten, wie Leben gelingen kann, Fragen von Treue, Partnerschaft und Liebe sind wichtige Fragen, die jeden Menschen beschäftigen. Diese Fragen haben im Evangelium ein Fundament und wir werden auf Augenhöhe darüber ins Gespräch und in den Dialog kommen. Im letzten müssen wir schauen, ob unsere Antworten überzeugen und angenommen werden.

Das Interview führte Jan Hendrik Stens.


Quelle:
DR