In einem Gewächshaus am Wala-Fluss im jordanischen Hügelland veredelt Mohammad Al-Taradeen Ölbäume. Mit einem kundigen Schnitt öffnet er die Rinde eines Setzlings und schiebt die Knospe eines alten, ertragreichen Baums ein, bevor er die Stelle mit Bast fixiert. Mohammad bringt diese Technik jordanischen Landsleuten bei, aber auch jungen Syrern, die vor dem Krieg im Nachbarland geflohen sind. 5.000 bis 8.000 Fruchtbäume produziert das Team im Wadi Wala monatlich, Oliven, Pistazien, Zitruspflanzen, Granatapfelbäume.
Benachbart liegt eine Ziegenfarm. 25 Frauen verarbeiten die Milch der Tiere zu Joghurt und zu dem traditionellen in Salzlake eingelegten Käse. Viele waren in den vergangenen Jahren beschäftigungslos. Jetzt sind einige, die sich hier schulen ließen, ihrerseits Ausbilderinnen; manche träumt von einer eigenen Käserei.
UN fördert Arbeitsprojekte
Sie alle verdanken ihre Arbeit einem Förderprojekt des UN-Welternährungsprogramms WFP. Es will Jordaniern, die unter der Wirtschaftskrise leiden, neue berufliche Perspektiven eröffnen, geflüchtete Syrer in den Arbeitsmarkt integrieren und den Zusammenhalt der Gesellschaft festigen. Die Herausforderungen sind immens.
Im siebten Jahr des Syrien-Konflikts bekommen auch die Jordanier die Folgen am eigenen Leib zu spüren. Unter den Projektmitarbeitern im Wadi Wala sind ehemalige Staatsangestellte, die aufgrund von Einsparungen ihre Posten verloren haben.
Jeder dritte junge Erwachsene ohne Job
Die Arbeitslosenrate hat ein Rekordhoch von 16 Prozent erreicht, von den Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist jeder Dritte ohne Job. Unter den knapp 10 Millionen Einwohnern leben laut der Regierung in Amman allein 1,3 Millionen syrische Flüchtlinge. Hinzu kommen beträchtliche Gruppen von Irakern, Libyern, Jemeniten. Die Stimmen mehren sich, das Boot sei voll.
Dabei ist das Königreich, das sich ein Drittel seiner Grenzen mit Syrien im Norden und Irak im Nordosten teilt, so etwas wie ein Stabilitätsanker in der Region und strategisch ein Pufferstaat. "Wir können uns nicht leisten, Jordanien scheitern zu lassen", heißt es in Diplomatenkreisen. Das ist ein Grund, warum Berlin viel zahlt. Allein für die Syrien-Hilfe des WFP stellte die Bundesregierung im vergangenen Jahr 570 Millionen Euro bereit, die größte Einzelzuwendung in der Geschichte des Hilfswerks.
Sozialer Zusammenhalt wird immer wichtiger
Der größte Teil ging in die direkte Nothilfe. Mit den rund 113 Millionen Euro aus dem Gesamtpaket, die für Jordanien bestimmt waren, finanzierte das WFP klassische Essensverteilungen, Schulspeisungen und zu 93 Prozent E-Vouchers, mit denen die Flüchtlinge in bestimmten Läden bargeldlos Lebensmittel und Güter des täglichen Bedarf einkaufen können.
Der Anteil für Maßnahmen wie in Wadi Wala, mit denen Syrer und bedürftige Jordanier einen Neustart ins Berufsleben schaffen sollen, betrug gerade mal ein Prozent. Die Direkthilfe sei immer noch unverzichtbar, sagt Shada Moghraby, WFP-Sprecherin in Amman. Aber der soziale Zusammenhalt werde zu einer "Schlüsselpriorität". Dazu gehört, Ressentiments auf der einen Seite und Isolation auf der anderen entgegenzuwirken.
Klempnerinnen-Service
Verstärkt schaut die deutsche Entwicklungszusammenarbeit auf den Sektor Schule, Berufsbildung und Beschäftigungsförderung. Es gilt, eine ganze Generation wettbewerbsfähig zu machen. Während 313.000 junge Jordanier studieren, absolvieren nur 90.000 eine Lehre. Nur 15 Prozent der Frauen sind erwerbstätig, eine der niedrigsten Quoten weltweit. Eine nationale Handelskammer, die mittelständischen Unternehmen den Kontakt ins Ausland erleichtern könnte, existiert nicht.
Dabei gibt es Chancen, Fantasie vorausgesetzt. Ein ebenfalls von Deutschland mitfinanziertes WFP-Programm trainiert 270 junge Leute aus Jordanien und Syrien darin, eigene Geschäftsideen zu entwickeln und umzusetzen. Ola al-Hindi, eine 43-Jährige aus Amman, plant beispielsweise einen Klempnerinnen-Service. Damit will sie nicht nur Mädchen fürs Handwerk begeistern, sondern vor allem das Problem lösen, dass viele Frauen keine männlichen Monteure ins Haus lassen können, wenn der Ehemann nicht da ist.
Mehr Mittel für Bildung
Auf wirtschaftliche Selbstständigkeit hinarbeiten - das will auch der Landesleiter des WFP in Jordanien, Mageed Yahia. Bis 2020 plant seine Organisation, nur noch 20 Prozent für humanitäre Hilfe auszugeben, aber 80 Prozent für die Schaffung von Lebensunterhalt und für Bildung. Dies, so Yahia, sei am Ende auch ein Mittel gegen Radikalisierung. Nicht umsonst sind die Olivenbäume, die Mohammad Al-Tardeen im Wadi Wala heranzieht, seit biblischer Zeit ein Sinnbild für Frieden und Stabilität.