KNA: Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag. Sie haben nun die Altersgrenze für Diözesanbischöfe erreicht und ihren Amtsverzicht bereits bei Papst Franziskus eingereicht. Hand aufs Herz: Wie sehr vermissen Sie das Rheinland?
Friedhelm Hofmann (Bischof von Würzburg): (lacht) Wenn ich ehrlich bin, nicht so sehr. Das verwundert natürlich alle Kölner Freunde. Aber ich muss sagen, das Rheinland liegt vor der Haustür von Franken.
KNA: Wie haben es denn die als verschlossen geltenden Franken geschafft, Sie rumzukriegen?
Hofmann: Als ich etwa ein halbes Jahr hier war, habe ich meinen damaligen Fahrer Otto Baumann gefragt: Wieso sagt hier keiner, woher kommen Sie, wie geht es denn, wo fahren Sie hin? Die Antwort hat mich auf den Boden der Realität geholt: Nix gesagt ist genug gelobt. Damit kannte ich die Grundeinstellung. Aber die Franken haben mich mit offenen Armen aufgenommen. Das habe ich so nicht erwartet.
KNA: Was war als Bischof von Würzburg Ihr größter Erfolg?
Hofmann: Die Wallfahrten der Generationen! Da fahren 800 oder mehr Leute mit nach Lourdes oder Assisi, davon rund 300 Jugendliche und Kinder. Das verbindet die Menschen im Bistum. Es ist nicht nur ein Event, sondern hat auch eine nachhaltige Wirkung.
KNA: Und wie sieht es mit Erfolgen in der Bischofskonferenz aus?
Hofmann: Dazu würde ich mein Engagement für Kunst in der Bischofskonferenz rechnen, etwa bei der großen Kunstaktion zum Jubiläum "50 Jahre Zweites Vatikanisches Konzil". Natürlich gehört auch die Lebensaufgabe dazu, ein neues Gebet- und Gesangbuch zu erstellen. Zwölf Jahre habe ich am neuen Gotteslob gearbeitet.
KNA: ...und das war nicht immer ein Vergnügen?
Hofmann: Nein, ganz bestimmt nicht. Der Trierer Bischof Stephan Ackermann sagte mir, ihn hätte ein Ausspruch von mir in einer schwierigen Phase in der Bischofskonferenz beeindruckt: Man sollte doch nicht vorzeitig aus der Haut fahren! Das würde er in schwierigen Situationen jetzt immer sagen. (lacht)
KNA: Es gab nicht nur schöne Momente. Was waren die bittersten?
Hofmann: Mich hat bewegt, wenn Priester ihr Amt aufgeben. Und natürlich der Missbrauchsskandal. Mich bedrängen aber auch sehr die Kirchenaustritte. Das ist sehr schmerzlich.
KNA: Sie haben in den vergangenen Jahren immer wieder das Thema Flüchtlinge aufgegriffen und sich damit in der Politik nicht nur Freunde gemacht. Warum diese deutliche Kritik?
Hofmann: Wenn wir uns dem Nächsten zuwenden, der uns braucht, werden wir unserer christlichen Berufung gerecht. Das ist in diesem Fall der Flüchtling, der vor der Tür steht. Ich habe das Problem früh erkannt - ehe es überhaupt bundesweit diskutiert wurde. So wies ich beim Gespräch mit dem Bayerischen Kabinett auf die schreckliche Situation in den Gemeinschaftsunterkünften hin. Danach hat sich eine Menge verbessert. Die Flüchtlinge selbst haben mich aber auch um Hilfe gebeten, etwa beim Hungerstreik in Würzburg. Da konnte ich weitere Proteste abwenden.
KNA: Auch in der Kirche sehen durchaus einige das Thema Flüchtlinge kritisch.
Hofmann: Deren Ängste muss man ernst nehmen und sie einbeziehen. Ich erlebe besonders in kleinen Ortschaften, dass sich die Menschen sehr um die Flüchtlinge kümmern. Das bringt so viel Positives. Ich denke, die Kritiker müsste man konkret mit Flüchtlingen zusammenbringen. Dann verändert sich die Einstellung.
KNA: Ebenfalls sehr konfliktreich kann das Thema Kunst und Kirche sein. Wie viel Provokation muss Kirche hier vertragen?
Hofmann: Kirche darf Kulturschaffende nicht bevormunden. Wir müssen die Eigenständigkeit von Kunst und Kultur akzeptieren, aber auch das Verbindende stärken, etwa die Frage nach der Transzendenz. In der Kunst vollzieht sich sichtbar das, was in der Gesellschaft vor sich geht. Kirche ist gut beraten, das wahrzunehmen, um nach Antworten zu suchen.
KNA: Wo sind die Grenzen der Provokation?
Hofmann: Das Böse darf auch in der Kirche dargestellt werden, aber die Grenzen sind da, wo das Böse verherrlicht wird. Da hört es auf. Es darf in die Kirche nichts hinein, was Gott in irgendeiner Weise beleidigt.
KNA: Ein weiteres heißes Eisen waren zuletzt mögliche neue Großpfarreien im Bistum Würzburg. Gibt es dazu realistische Alternativen?
Hofmann: Ich habe Ende Januar 2017 einen Brief dazu an die Gläubigen geschickt. Ich war überrascht, wie positiv er aufgenommen wurde. Man spürt: Es gibt keine wirkliche Alternative. Sobald die Menschen merken, dass wir mit den Großpfarreien nicht die Kirche im Dorf untergehen lassen wollen, verlieren sie ein Stück ihrer Angst, dass sie mit der Struktur untergebuttert werden.
KNA: Wie kann das trotz Priestermangel gelingen?
Hofmann: In jeder kleinen Gemeinde soll es Ansprechpartner geben, etwa Ehrenamtliche, die die Nöte und die Wünsche der Menschen weitergeben. Es geht nicht um Zentralkirche. Es geht um das Weiterleben in den Ortschaften. Dazu müssen auch Seelsorger von Verwaltungsaufgaben weitestgehend befreit werden.
KNA: Sie begeistern sich für Fußball: Beten Sie für die vom Abstieg bedrohten Würzburger Kickers?
Hofmann: Ich habe Trainer Bernd Hollerbach vor einigen Wochen geschrieben, dass ich am Wohl und Wehe der Kickers Anteil nehme und nach der erfolgreichen Hinrunde hoffte, dass sie dieses Niveau halten könnten. Leider stehen die Kickers jetzt mitten im Abstiegskampf. Ich werde deshalb versuchen, beim letzten Heimspiel im Stadion dabei zu sein, um ihnen moralische Rückendeckung zu geben...
KNA: ...aber gebetet wird nicht?
Hofmann: (lacht) Ob ich da... naja. Die anderen beten auch. Auf das eigene Können kommt es an.
Das Interview führte Christian Wölfel.