Gabriel lädt erstmals 100 Religionsvertreter in das Außenamt ein

Friedenspotenzial ausloten

Außenminister Sigmar Gabriel lädt erstmals 100 Religionsvertreter ins Außenamt. Ziel des Treffens: die Friedenspotenziale der Glaubensgemeinschaften auszuloten.

Autor/in:
Christoph Scholz
Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) / ©  Bernd von Jutrczenka (dpa)
Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) / © Bernd von Jutrczenka ( dpa )

Für das Außenamt es ist es ein Novum: Erstmals hat Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) Vertreter der Religionsgemeinschaften aus aller Welt zu einer Konferenz geladen. Im Weltsaal des Auswärtigen Amtes, wo sich üblicherweise die Diplomaten treffen, will Gabriel am Montagmorgen an die hundert Vertreter von Christen, Juden, Muslimen und anderen Bekenntnissen begrüßen. "80 Prozent der Weltbevölkerung bekennen sich zu einer Religion. Die Religionsgemeinschaften tragen in meinen Augen daher eine große Verantwortung für den Frieden und den Zusammenhalt in der Gesellschaft", betonte der Minister unlängst in einem Namensbeitrag für den Berliner "Tagesspiegel", in dem er das Treffen angekündigte.

Deutsche Bischofskonferenz vertreten

Zur offiziellen Eröffnung sollen der Oberrabbiner von Jerusalem, David Rosen, der Großmufti in Bosnien und Herzegowina, Reis-ul-ulema Husein Kavazovic, sowie die Vorsitzende des Zentralausschusses des Ökumenischen Rates der Kirchen, Agnes Abuom (Nairobi), zu Wort kommen. Die Deutsche Bischofskonferenz vertritt der Berliner Weihbischof Matthias Heinrich. Religionsgemeinschaften seien "nichtstaatliche Akteure, mit denen wir als weltliche Regierung enger zusammenarbeiten wollen", kündigte Gabriel an. Das dreitägige Treffen zum Thema "Die Friedensverantwortung der Religionen" soll dazu den Auftakt bilden.

Der SPD-Politiker hat die Begegnung bewusst an den Beginn der Woche gestellt, in der sich die Evangelische Kirche in Deutschland im Jahr des 500-jährigen Reformationsgedenkens in Berlin zu ihrem Kirchentag versammelt. "500 Jahre nach der Reformation ist die Welt wieder im Umbruch und prägen pseudo-religiöse Ideologien eine Vielzahl von Konflikten weltweit. Es geht deshalb heute mehr denn je darum, auf der Grundlage fester Überzeugungen Haltung zu zeigen", so der Minister. Und diese Haltung leitet sich für ihn auch aus dem Erbe der Reformation ab: nämlich "die von den Reformatoren geforderte Haltung, sich seines eigenen Verstandes ohne fremde Anleitung zu bedienen und dabei auf das Gewissen zu vertrauen", sowie "gesellschaftliche Teilhabe und die Übernahme von Verantwortung für ein größeres Ganzes". Damit spricht Gabriel jene Haltungen an, die im Gefolge der Aufklärung zumindest für das abendländische Christentum zu den Grundlagen eines friedlichen Verhältnisses von Staat und Religion gehören.

Das Verhältnis von Religion zur Gewalt

Bei der Konferenz soll es deshalb auch um die Frage gehen: "Wie kann ein Missbrauch der Religion in Interessenkonflikten verhindert werden?" Damit ist das Verhältnis von Religion zur Gewalt angesprochen, wie es derzeit vor allem die islamische Welt herausfordert. "Religion wird heute in der öffentlichen Debatte häufig als Ursache von Gewalt wahrgenommen. Dabei erheben die meisten Religionen den Anspruch, friedfertig zu sein", betont das Auswärtige Amt zugleich in der Einladung und verweist auf "beeindruckende Beispiele religiös begründeter Friedensstiftung". Viele Religionsvertreter genössen "Vertrauen und Unterstützung in ihren Gesellschaften".

Außenamtssprecher Martin Schäfer erwähnte am Freitag bei der Ankündigung den Beitrag vieler Glaubensgemeinschaften zur Mediation und Friedenserziehung. Das Außenamt habe nicht zuletzt bei der Stabilisierung von Konflikten gute Erfahrung mit den Religionsgemeinschaften gemacht. Mit ihrer stärkeren Einbeziehung als zivilgesellschaftliche Akteure folgt das Außenamt einen Politikansatz, den Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) bereits seit längerem in seinem Ressort umzusetzen versucht. So lautet die zweite Leitfrage des Treffens: "Wie kann das Friedenspotenzial der Weltreligionen genutzt werden, um Gewalt einzudämmen?" Im Fokus sollen die "Regionen Europas, Naher und Mittlerer Osten, Nord- und Westafrika" stehen.


Quelle:
KNA