Kirchentag debattiert über Hass im Netz und Sozialpolitik

Steinmeier warnt vor "Zersetzung der Demokratie"

Konstruktiver Streit ist dem evangelischen Kirchentag ein Anliegen. Am Samstag hatte das Treffen Bundespräsident Steinmeier zu Gast. Er kritisierte den Streit-Ton im Internet und warnte, dies werde an der Gesellschaft nicht spurlos vorbeigehen.

Kirchentagsbesucher / © Maurizio Gambarini (dpa)
Kirchentagsbesucher / © Maurizio Gambarini ( dpa )

Rüstungsexporte, Hass im Netz und gerechte Steuerpolitik: Mit Debatten über Herausforderungen der aktuellen Politik ist am Samstag der evangelische Kirchentag in Berlin fortgesetzt worden. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier war bei dem Protestantentreffen zu Gast. Angesichts von Hetze im Internet und Fake News warnte er vor einer "Zersetzung der Demokratie".
Mancherorts werde Wahrheit nicht nur absichtlich gefälscht, sondern scheine gar nicht mehr zu zählen, sagte er. Schon eine Stunde im Netz genüge, "um einen nachdenklichen Leser zur schieren Verzweiflung zu bringen".

"Häme und Hass gehen an unserer Gesellschaft nicht spurlos vorbei"

"Gefühlte Wahrheiten drohen dauerhaft an die Stelle von überprüfbaren Fakten zu treten", erklärte Steinmeier. "Häme, Hass und Härten werden aber langfristig an unserer Gesellschaft nicht spurlos vorbeigehen."

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, kritisierte unterdessen den Rüstungsdeal der USA mit Saudi-Arabien. Wenn ein einziger Bomber 1,2 Milliarden US-Dollar koste "und zugleich hat die Weltgemeinschaft keine 4,4 Milliarden Dollar übrig, um die Hungerkatastrophe in Ostafrika zu bekämpfen, dann ist das ein Skandal", sagte der bayerische Landesbischof. Bedford-Strohm diskutierte bei einem der "Kirchentage auf dem Weg" in Leipzig mit Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU). Die sechs regionalen Christentreffen münden ebenso wie der evangelische Kirchentag in Berlin am Sonntag in einen zentralen Gottesdienst in Wittenberg.

Zachäus als Vorlage für aktuelle Sozialpolitik

Bei den Bibelarbeiten, mit denen traditionell jeder Tag des Protestantentreffens beginnt, ging es am Samstag um den betrügerischen Zöllner Zachäus - für die eingeladenen Politiker eine Steilvorlage, in den Auslegungen ihre Botschaften für eine gerechtere Sozialpolitik zu vermitteln. Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) kritisierte die digitale "Plattform-Ökonomie" als unfairen Partner im Wirtschaftleben. Anbieter von digitalen Geschäftsmodellen wie "Uber" und "MyHammer" würden sich systematisch aus der Verantwortung als Arbeitgeber stehlen, sagte die SPD-Politikerin.

Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) sagte mit Blick auf den Bundestagswahlkampf, über Steuerkonzepte werde noch viel gestritten werden. Ihre Partei will kleine Einkommen entlasten. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) lehnte demgegenüber höhere Steuersätze für Reiche ab: "Das ist nicht das, was wir wollen", sagte Schäuble. Schäuble zufolge sollte man reichen Menschen etwa die Hälfte ihres Einkommens lassen. "Wenn wir ihnen alles wegnehmen, dann werden sie Möglichkeiten finden, dass sie doch nicht zahlen." Zudem würden ihre Investitionen zurückgehen.

Wieder ein Thema: Die AfD

Auch die AfD, die bereits am Donnerstag durch die Podiumsteilnahme einer Vertreterin für Diskussionen gesorgt hatte, wurde wieder zum
Thema: Auf dem "Roten Sofa" der Kirchenpresse bezogen die Berliner Bischöfe gemeinsam Position gegen die Partei. Der evangelische Bischof Markus Dröge, sagte, er könne es nicht unterstützen, als Christ in einer solchen Partei zu sein. Die Kirchen müssten zugleich darum ringen, dass auch AfD-Anhänger und Mitglieder der Partei ihre Argumente verstehen, sagte der katholische Berliner Erzbischof Heiner Koch. Dröge und Koch hatten zuvor als ökumenisches Signal eine gemeinsame Bibelarbeit in der Berliner St. Marienkirche gehalten.


Quelle:
epd