Die Taube ist im christlichen Glauben ein Symbol des Friedens und des Heiligen Geistes - sie müsste also anlässlich des bevorstehenden Pfingstfestes Konjunktur haben. Denn am Sonntag und Montag feiern Christen das Fest des Heiligen Geistes; Pfingsten gilt als Geburtsfest der Kirche. Auf künstlerischen Darstellungen in diesem Zusammenhang sehen die Tauben friedlich und hübsch aus.
Doch tatsächlich hat der Vogel im Alltag ein schlechtes Image. Viele Menschen finden die zuweilen zerrupft aussehenden oder verletzten Vögel unschön, und wer sie auf Bahnhöfen und in dunklen Ecken in Essensresten picken sieht, schaut vielleicht angewidert zur Seite.
"Tauben vergiften"
Die Taube gilt zudem als Überträgerin von Krankheiten. Auch ins Liedgut hat es das spezielle Verhältnis von Mensch und Taube geschafft. Unvergessen ist der Klassiker des bösen Humors, "Tauben vergiften", von Georg Kreisler: "Ja, der Frühling, der Frühling, der Frühling ist hier/Gehn wir Tauben vergiften im Park!/Kann's geben im Leben ein größres Plaisir/Als das Tauben vergiften im Park?»"
Doch warum hat das gurrende Tier eigentlich so ein schlechtes Image?
Von der Ästhetik der Taube
"Tauben setzt man mit Schmuddelecken in Bezug", sagt Eric Neuling vom Naturschutzbund Deutschland (Nabu). Sie hielten sich dort auf, wo der Mensch nicht hinwolle - aber wo er eben Essensreste hingeworfen habe. Dass manche Menschen beim Anblick von Tauben Ekel verspüren, könne er zwar nachvollziehen, sagt Neuling. Im Dreck und Staub der Städte könne die "Ästhetik des Vogels" im Auge des Betrachters leiden.
Aber: "Es liegt einfach daran, wie wir mit unseren Städten umgehen", betont Neuling. "Tatsächlich ist die Taube etwas Lebendiges in der Stadt, das man sieht." Und Natur mache Städte lebenswert.
Krankheitsübertragung unwahrscheinlich
"Die Taube ist für uns ein schönes, interessantes Tier", betont denn auch Thomas Dümmermann, Redakteur der Zeitschrift "Die Brieftaube". Angesichts ihrer Fähigkeit, aus einer Entfernung von mehreren hundert Kilometern nach Hause zu finden, lobt Dümmermann die Lernfähigkeit und eine "gewisse Cleverness" der Tiere.
Dass sie Krankheiten übertragen, sei zwar möglich. Aber: "Eher kriegt man einen Sechser im Lotto", so der Taubenfreund. Auch Nabu-Referent Neuling sagt, dass die Wahrscheinlichkeit gering sei, "da die Bestände recht klein sind und eben Beutegreifer - Habicht, Fuchs, Ratten, Krähen - kranke und verendete Vögel schnell beseitigen".
Ärger über Kot
Mögliche Krankheitserreger sind Neuling zufolge Taubenzecken, die bei Sanierungen von Häusern zu finden seien, in denen viele Tauben gebrütet hätten, und gegebenenfalls Salmonellen. Taubenkot enthalte «keine besonderen Krankheitserreger», die sich beispielsweise nicht auch im Hundekot entwickeln könnten.
Just dieser Kot ist allerdings oft ein Ärgernis, zum Beispiel in Kirchtürmen - Pfingsten hin oder her. Immer wieder berichten Medien von knöchelhohem Dreck. Im vergangenen Jahr etwa berichtete der Südwestrundfunk über eine Spezialfirma, die wegen rund 25 Tonnen Taubendrecks in einem Turm des Wormser Doms angerückt war.
Weniger Tauben als man denkt
Es ist die Stadt- beziehungsweise Straßentaube, die sich im Umfeld von Gebäuden aufhält und entsprechend angepasst hat, so Neuling. Die Ringeltaube, die in Grünflächen zu finden sei, komme zuweilen häufiger vor als die Straßentaube: «Sie verstädtert immer mehr.»
Auch wenn viele Menschen das Gefühl haben, dass Tauben überall sind, gehen die Bestände der Straßentaube laut Neuling zurück. Bundesweit gab es demnach im Jahr 2015 zwischen 190.000 und 310.000 Brutpaare, in Berlin und Brandenburg seien es 2011 zwischen 10.000 und 20.000 gewesen - im Vergleich zu 2001 mit schätzungsweise mindestens 23.000 bis 35.000 Straßentaubenpaaren.
Alles lassen, wie es ist
Nach Gebäudesanierungen fehle häufig der Platz für Nester, erläutert Neuling. Zudem hielten Netze und aufgestellte lange Spitzen die Vögel fern. "In Kirchengebäuden finden sie dagegen noch Rückzugsräume."
Der Vogel-Fachmann rät zur Gelassenheit: "Unserer Meinung nach muss man bei der derzeitigen Bestandssituation nicht eingreifen." Tauben seien ein wichtiger Teil des Ökosystems der Stadt und ein Beutetier für Wanderfalke oder Habicht. Er verweist auch auf die christliche Symbolik der Taube: "Sie ist nicht nur ein Ärgernis".