Evangelische Regionalbischöfin Zeugin der Attacke an Notre-Dame

Tränen und Gebete

In Paris gab es an diesem Dienstag wieder Terroralarm. Polizisten können den Täter schnell stoppen. Besucher suchen in der Kathedrale Notre-Dame Zuflucht. Unter ihnen auch die evangelische Regionalbischöfin Dorothea Greiner.

Menschen suchen Zuflucht in der Kathedrale Notre-Dame / © Nancy Soderberg (dpa)
Menschen suchen Zuflucht in der Kathedrale Notre-Dame / © Nancy Soderberg ( dpa )

domradio.de: Vor dem Gotteshaus, das jedes Jahr von etwa 13 Millionen Menschen besucht wird, hat ein Mann an diesem Dienstag einen Polizisten mit einem Hammer attackiert und dabei "Das ist für Syrien" gerufen. Ein Beamter schießt auf den Angreifer und verletzt ihn. Bis zu 1.000 Menschen finden in der Kirche Zuflucht. Sie waren da bereits in der Kirche, wie haben Sie diesen Angriff erlebt?

Dr. Dorothea Greiner (Evangelische Regionalbischöfin des Kirchenkreises Bayreuth): Wir standen in einer Warteschlange, wollten auf den Turm und hörten Laute, die sich nachträglich betrachtet als Schüsse herausstellten. Wir waren dann oben auf dem Turm und durften uns nicht mehr bewegen. Wir waren quasi eine Stunde auf der Plattform des Turmes gefangen. Unten auf dem Vorplatz konnte man einen Mann liegen sehen. Es war viel Polizei unterwegs. Neben mir haben viele Menschen fotografiert oder geweint. Die meisten sind aber recht ruhig geblieben.

domradio.de: Was geht einem in so einem Moment durch den Kopf?

Greiner: Dass wir vermutlich in den nächsten Jahren und Jahrzehnten mit solchen Situation leben müssen. Dass es uns schneller erreichen kann, als wir uns das manchmal denken. Und dass unsere Sicherheit immer nur eine vermeintliche ist. Das ist aber auch so, wenn wir mit dem Auto auf der Autobahn unterwegs sind.

Wir konnten dann irgendwann hinunter in die Kirche. Die Kirche war voll und die Menschen sehr ruhig. Wir mussten uns dann noch einmal auf den Boden setzen, bevor zwei Sicherheitskontrollen durchgeführt wurden. Ich saß dann eine Weile neben dem Relief der Chorschranke mit der Geburt Jesu, wo auch die Heiligen Drei Königen zu sehen sind und dachte: "Jesus Christus ist genau in diese Welt gekommen und nun auch in dieser Situation bei uns". Ich habe mich in keiner Sekunde unsicher oder gefährdet gefühlt. Es ist, glaube ich, eher eine Frage, wie die äußere Situation aussieht und mit der inneren korrespondiert. Das kann sehr unterschiedlich sein.

domradio.de: Sind die Menschen in Paris nach allem, was in den letzten Jahren vorgefallen ist, nervös? Wie erleben Sie die Stimmung vor Ort?

Greiner: Trotz allem sind die Menschen relativ ruhig. Natürlich sind nach so einem Vorfall bestimmte U-Bahn-Stationen geschlossen und da ist kein einfaches Fortkommen. Auch die Innenstadt wird dann leer. Aber insgesamt lassen sich die Menschen nicht stören. Sie gehen Essen, trinken ihren Wein und unterhalten sich. Ich glaube, man lernt damit zu leben.

domradio.de: Was sagen Sie denn den Menschen als Seelsorgerin in so einer Situation?

Greiner: Neben mir waren drei Mädchen, die geweint haben. Denen habe ich ganz ruhig gesagt, dass sie sich nicht fürchten sollen. Es ist wichtig, da zu sein, ruhig zu sein und Ruhe auszustrahlen. Nachträglich betrachtet habe ich gedacht, dieses "fürchte dich nicht" war genau das, was wir in diesen Situationen zu vermitteln haben, wie unterschiedlich die Lage auch ist. Das ist unsere Botschaft: "Fürchte dich nicht".

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.


Regionalbischöfin Dr. Dorothea Greiner / © Heike Rost (ELKB)
Regionalbischöfin Dr. Dorothea Greiner / © Heike Rost ( ELKB )
Quelle:
DR