Diskussion um Kreuz auf Berliner Stadtschloss

"Eine merkwürdige Debatte"

Soll das Dach des wiederaufgebauten Berliner Stadtschlosses wieder ein Kreuz schmücken oder nicht? Darüber wird derzeit in Berlin heftig diskutiert. Der Kulturbeauftragte des Erzbistums Berlin warnt bereits vor einem Debatten-"Kreuzzug".

Dach des Berliner Stadtschlosses / © Klaus-Dietmar Gabbert (dpa)
Dach des Berliner Stadtschlosses / © Klaus-Dietmar Gabbert ( dpa )

domradio.de: Wie erklären Sie sich diese Debatte, die so hohe Wellen in Berlin schlägt? Wieso wird da so heftig und so umfangreich und emotional aufgeladen diskutiert? Es geht doch nur um ein Kreuz auf einem Dach.

Pater Georg Maria Roers (Kunst- und Kulturbeauftragter des Erzbistums Berlin): Das ist ein Politikum geworden, und wenn ein Politikum in Berlin entsteht, dann muss jeder seinen Senf dazu geben. Einmal gibt es kunsthistorische Argumente und dann auch die pastoraltheologischen Argumente. 

Die Kunsthistoriker wollen natürlich gerne rekonstruieren, was vor zehn Jahren längst beschlossen wurde. Aus pastoraler Sicht sind natürlich auch die Bischöfe und viele Christen dafür, dass da ein Kreuz drauf kommt und auch bleibt und nicht auch noch ein Halbmond und ein Davidstern, wie der Zentralrat der Muslime vorschlägt.

domradio.de: Die beiden Bischöfe von Berlin - der evangelische und katholische - haben sich für das Kreuz auf dem Schlossdach ausgesprochen. Sie aber sagen, so einfach sei das nicht. Schließlich steht dieses Preußenkreuz für eine ganz bestimmte protestantische Staatstheologie - das dürfe man nicht vergessen. Können Sie uns erklären, warum das Kreuz deswegen problematisch ist? 

Roers: Es ist so, dass sich der Nachfolger von König Friedrich Wilhelm IV. gedacht hat, man gründe die evangelische Union und mache daraus eine eigene Staatskirche mit dem König als oberstem Bischof nach anglikanischem Vorbild. Man darf auch nicht vergessen, dass vor fast 160 Jahren dort ein blutiger Aufstand mit 270 Toten stattgefunden hat. Danach sind dann Kuppel und Kreuz sozusagen als Antwort auf den Aufstand gebaut worden. Das alles ist nicht wirklich etwas, was wir heute noch haben wollen. Deswegen glaube ich, dass man eine ganz andere Diskussion führen sollte, nämlich darüber, über Alternativen nachzudenken.

domradio.de: Wie könnten die aussehen?

Roers: Man könnte einen Wettbewerb unter Künstlern ausrufen und dann überlegen, was man damit machen kann. Es fällt denen bestimmt etwas ein. Man könnte auch jeden Monat neu das Schloss beflaggen. Es soll ja das Humboldt-Forum in das Schloss, also eine weltoffene Kultur, ein Museum sozusagen für alle Kulturen der Welt. Da könnte man im monatlichen Wechsel Flaggen jedes Landes der Welt hissen. Das würde ich mir wünschen. Aber ich glaube die Diskussion um das Kreuz führt entweder zu einem "Kreuzzug" oder einer unerfreulichen Kreuzdebatte. Da kommt man in eine Sackgasse.

domradio.de: Um die Wogen zu glätten sagen Sie also, das Kreuz sollte nicht wieder auf das Dach. Jetzt gab es auch noch den Vorschlag, einen großen Schriftzug mit dem Wort "Zweifel" zu installieren. Was halten Sie denn davon?

Roers: Das würde ich sehr anzweifeln. Der norwegische Künstler Ramberg hat das im Jahr 2005 auf den Palast der Republik gestellt. Das ist 8x40 Meter groß und soll auf die Ostseite und dort der leuchtende Zweifel sein, weil die Konstruktion des Schlosses für sich genommen ja schon "gebauter Zweifel" sei. Die Gründungsmitglieder des Humboldt-Forums sagen, dass sie dies haben wollen. Dies sei die richtige Antwort, das Kreuz habe an diesem Ort keine religiöse Funktion mehr. Das ist natürlich kühn. Ein Kreuz mitten in Berlin auf einem Schloss hat natürlich immer eine Bedeutung. Die Debatte ist im Moment in meinen Augen wirklich merkwürdig.

Das Interview führte Tobias Fricke.


Quelle:
DR
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