"Ich habe meinen Glauben verloren" - kann das sein? - Offenbar schon, viele Menschen würden diesem Satz heutzutage zustimmen. Doch warum, was sind die Gründe? Ist die real existierende Kirche an allem schuld? Oder die geistige Großwetterlage? Der fehlende Austausch über das, was Menschen spirituell bewegt? Lassen Schicksalsschläge das Vertrauen auf einen guten Gott schwinden? War es ein schlagartiger Verlust wie bei einem Diebstahl oder ein langsames Verdunsten? Was der Papst in seinem aktuellen Gebetsanliegen schmerzlich empfindet, können die meisten von uns gut nachfühlen: Fast jeder kennt in seinem Umfeld liebe Menschen, die nicht mehr glauben können.
Vorwürfe und Schuldzuweisungen nutzen da nichts, in welcher Richtung auch immer. Durch die Gebetsbitte des Papstes jetzt im Juli wird zuerst einmal etwas sehr Wichtiges klar: Auch die Zweifler, Abgewandten und Hoffnungslosen bleiben unsere Schwestern und Brüder.
Was können die machen, die glauben?
Auch falls sie jetzt schimpfen. Vielleicht aus tiefer Enttäuschung über Gott, über die noch Glaubenden oder vielleicht ganz innen auch über sich selbst. Sie bleiben unsere Geschwister, keiner ist abgeschrieben, schon gar nicht für den Unsichtbaren, dem sie nicht mehr vertrauen können.
Was können die weiterhin Glaubenden für sie tun? Franziskus hat zwei Vorschläge: "Gebet und Zeugnis". Also erstens: Sie können sie in das Gespräch mit Jesus und seinem Vater - durchgepustet von der Kraft, die "Heiliger Geist" genannt wird - namentlich mitnehmen. Bevor wir für sie beten, hat "ER" sie längst im Blick. Für sie alle gibt es eine Lebensplanung von der "Zentrale". Papst Benedikt XVI. sagte: "Es gibt so viele Wege zu Gott wie es Menschen gibt!" Sie sind alle in guten Händen, in den besten überhaupt, auch wenn sie das derzeit nicht empfinden können.
Zeugnis geben kann nur, wer überzeugt ist
Was meint Franziskus zweitens mit dem "Zeugnis"? Bezeugen kann brenzlig werden. Und es stellt sich die Frage: Sind wir denn selbst von Gott und unserem Glauben überzeugt? Oder verdrängen und überspielen wir aufkommende Zweifel und geben lächelnd und etwas halbherzig Bibelzitate von uns? Evangelium, also die "Frohe Botschaft", die "Gute Nachricht" bezeugen wird glaubhafter, wenn wir auch von unseren eigenen Bedenken und Problemen mit dem Glauben reden.
Papst Franziskus sagte neulich dem Chefredakteur der "Zeit", dass ein Glaube ohne Zweifel ein noch unreifer Glaube sei: Vielleicht schickt uns ja der bekanntlich Unbekannte in einigen Nicht-mehr-Glaubenden Spezialisten, die unsern derzeitigen Glauben mal etwas verunsichern, und so auf den Prüfstand bringen sollen.
"Ich glaube an Dich"
Herauskommen könnte eine kernigere Überzeugung als bisher. Glauben meint ja weniger das Festhalten an einer Lehre, eher an einem "Du".
Liebende sagen zueinander: "Ich glaube an dich." Christenmenschen vertrauen der großen Liebeserklärung, die über den Bruder Jesus auf uns Menschen überfließt. Wer das Evangelium twittern will, könnte schreiben: "Ich bin unendlich geliebt, Du auch. Und zwar bedingungslos, so wie du bist und werden kannst."
Kurzformel des christlichen Glaubens
Deshalb spricht der Papst von der "barmherzigen Nähe des Herrn" - kein allgemeines Gerede, sondern persönliche Erfahrung, die wir immer wieder einmal machen können und dann auch andere ahnen lassen.
Wenn er jetzt im Hochsommer und der Ferienzeit schließlich einlädt, die "Schönheit des christlichen Lebens wieder" zu entdecken, will er weniger schöne oder sogar hässliche Überlagerungen abkratzen, die sich über den ursprünglichen Lebensentwurf des Evangeliums gelegt haben. Auf der Suche nach einer Kurzformel christlichen Glaubens schlägt P. Reinhard Körner aus dem Karmel Birkenwerder bei Berlin vor: "Geliebt lieben!"