Debatte über Gedenken an Überfall auf die Sowjetunion 1941

"Unternehmen Barbarossa" und die deutsche Erinnerungskultur

Mit dem Überfall auf die Sowjetunion am 22. Juni vor 76 Jahren entfesselte Deutschland einen beispiellosen Vernichtungskrieg. Die letzten Zeitzeugen sterben aus - die Erinnerung jedoch soll bleiben, fordern Historiker.

Autor/in:
Christoph Arens und Joachim Heinz
Deutsche Wehrmacht im "Unternehmen Barbarossa" / © akg-images GmbH (epd)
Deutsche Wehrmacht im "Unternehmen Barbarossa" / © akg-images GmbH ( epd )

Die geheime "Weisung Nr. 21" beschrieb für Millionen Menschen den Weg in den Abgrund. Am 18. Dezember 1940 erteilte Adolf Hitler seinen Generälen den Befehl, den Angriff der Wehrmacht auf die Sowjetunion vorzubereiten. Auch Russland sollte mit einem Blitzkrieg unterjocht werden. Am 22. Juni 1941 startete das "Unternehmen Barbarossa" - in Anspielung auf Kaiser Friedrich I., der im zwölften Jahrhundert einen Kreuzzug gegen die "Ungläubigen" befehligt hatte.

Überfall auf die Sowjetunion begann mit Lüge

Es sollte der Anfang vom Ende des 1.000-jährigen Reiches werden. Die Wehrmacht sei einem russischen Angriff zuvorgekommen und "in den gewaltigen Aufmarsch der feindlichen Kräfte hineingestoßen", hieß es in der Wochenschau. Mit einer Lüge begann der Überfall auf die Sowjetunion.

Millionen Hungertote waren eingeplant - etwa bei der Belagerung Leningrads. Großangelegte Vertreibungen sollten die eroberten Gebiete für deutsche Siedler öffnen. Einsatzgruppen der SS, aber auch die Wehrmacht rotteten ganze Dörfer aus. Zu all dem erteilte das NS-Regime seit März 1941 völkerrechtswidrige Befehle, die die Wehrmachtführung übernahm. Widerspruch blieb weithin aus.

"Beispielloser Vernichtungskrieg"

Von einem bis dahin beispiellosen Vernichtungskrieg sprechen die beiden Bonner Historiker Martin Aust und Ekaterina Makhotina. In der deutschen Erinnerungskultur führten der Feldzug und seine Folgen jedoch immer noch ein Schattendasein, kritisieren sie. Während in Russland, Weißrussland und der Ukraine der 22. Juni ein offizieller Gedenktag sei, verschwanden hierzulande nach 1945 die Opfer des Vernichtungskrieges, Soldaten und Zivilisten, buchstäblich hinter dem "Eisernen Vorhang", wie Makhotina sagt.

Erst in den vergangenen Jahren sei den sowjetischen Opfern des Krieges etwas mehr Aufmerksamkeit zuteilgeworden. Doch selbst der 75. Jahrestag des Überfalls habe im vergangenen Jahr kaum öffentliche Aufmerksamkeit gefunden, merkt Makhotina an. "Außer einer kurzfristig eingesetzten Besprechung im Bundestag auf Initiative der Linken-Partei fanden keine staatlichen Zeremonien statt." Diese "Leerstelle im deutschen Gedächtnis" gelte es zu besetzen - durch einen offiziellen Gedenktag oder eine eigene Gedenkstätte.

Die beiden Experten für die Geschichte Osteuropas greifen damit auch die Forderungen von Peter Jahn auf. Der frühere Direktor des Deutsch-Russischen Museums in Berlin-Karlshorst sprach sich in der jüngsten Ausgabe der "Zeit" für ein Denkmal für die Opfer des deutschen Vernichtungskriegs im Osten aus. Dies solle im Zentrum Berlins errichtet werden, in der Nähe zu den Gedenkstätten für die anderen Ermordeten des Nationalsozialismus.

Militärisches Desaster

Allein rund 13 Millionen Soldaten kamen auf sowjetischer Seite ums Leben. Von insgesamt fünf Millionen sowjetischen Kriegsgefangenen starben drei Millionen in deutscher Gefangenschaft - bis Dezember 1941. Dazu kommen mehr als zwei Millionen ermordete sowjetische Juden und sechs bis zehn Millionen weitere Zivilisten.

Ungeachtet des brutalen Vorgehens geriet das Unternehmen Barbarossa für die deutsche Führung zum militärischen Desaster. Die riesigen Räume, Logistikprobleme, strategische Fehlentscheidungen, der Mehrfrontenkrieg und die trotz aller Verluste fortbestehende personelle Übermacht der Roten Armee führten in den Untergang. Zwar konnte die Wehrmacht noch 1941 bis kurz vor Leningrad, Moskau und Sewastopol vordringen und dabei ein gewaltiges Terrain okkupieren - das Baltikum, Weißrussland, fast die gesamte Ukraine und große Teile Russlands. Eine militärische Entscheidung aber konnte sie nicht erzwingen.

Spätestens die Schlacht um Moskau am 5./6. Dezember 1941, als eine sowjetische Großoffensive die erschöpften deutschen Verbände traf, zeigte der Wehrmacht die Grenzen auf. Stalingrad 1942/43 leitete dann Deutschlands vollständige Niederlage ein. Nachdem im Juli 1943 die letzte deutsche Großoffensive, die Panzerschlacht um Kursk, gescheitert war, ging die Initiative endgültig auf die Rote Armee über. Am Ende standen auf deutscher Seite fünf Millionen Gefallene.


Quelle:
KNA