DOMRADIO.DE: Die Kölner Innenstadtgemeinde Herz-Jesu und Mauritius am Zülpicher Platz hat an diesem Sonntag ihr Pfarrfest traditionell mit einem kleinen Open-Air Gottesdienst auf dem Kirchplatz gefeiert - wie immer mit musikalischer Begleitung durch eine Bläsergruppe, mit Beiträgen der KITA in der Nähe der Kirche und mit vielen Gläubigen.
Bei der dazugehörigen Prozession durch die Straßen des Viertels kam es aber zu einem Vorfall. Was ist da genau passiert?
Tobias Wolf (Gemeindereferent der Kölner Innenstadtgemeinde Herz-Jesu und Mauritius): Wir hatten eine Zwischenstation, einen Altar auf dem Gelände einer Kita. Kurz bevor wir dort einbogen, sah ich wie die Menschen stehenblieben und entsetzt nach oben blickten. Da wurden Eier und Brötchen auf die Prozessionsgruppe aus dem Fenster geworfen.
DOMRADIO.DE: Das hört sich nicht allzu schlimm an. Aber es ist ein Kind getroffen worden und die Polizei kam. Haben die Eltern Anzeige erstattet?
Wolf: Ja. Sofort sind Leute zu dem Haus gegangen, haben geklingelt und wollten die Sache klären. Es hat aber niemand geöffnet und man weiß nicht ganz genau, wer das gemacht hat.
DOMRADIO.DE: Köln gilt als tolerante Stadt. Kommt es häufiger vor, dass man angefeindet wird?
Wolf: Auf dem Zülpicher Platz ist man schon mittendrin in dem Kölner Gebiet, in dem sonst hauptsächlich andere Sachen als Kirche passieren. Da kommt es schon mal vor, dass Leute aus dem Fenster rufen oder Mails schreiben, weil die Glocken zu viel oder zu laut läuten.
DOMRADIO.DE: Kommen denn auch schon mal Kommentare, wenn Sie mit einer Prozession durch die Stadt laufen?
Wolf: Ja. Es gibt viele verwunderte und auch interessierte Blicke. Viele, die das mit dem Handy filmen, weil es anscheinend exotisch wirkt. Aber es gibt durchaus auch merkwürdige Kommentare.
DOMRADIO.DE: Das Verrückte daran ist ja, dass Sie dieses Pfarrfest unter dem Motto "Versöhnung" gefeiert haben. Also, es ging Ihnen darum, den Glauben und natürlich auch Frieden in die Straßen zu tragen. Wie bringt man das jetzt zusammen?
Wolf: Bei uns ging es um die Geschichte von Jakob und Esau. Die beiden versöhnen sich am Ende, als sie sich nach langer Zeit wiedertreffen. Es ist meiner Ansicht nach eine Grundvoraussetzung, dass man sich trifft und miteinander reden kann. Wenn so etwas nicht passiert, dann ist Versöhnung schwer.
DOMRADIO.DE: Als nun das Ei flog, was haben Sie da gedacht?
Wolf: Zunächst habe ich mich auch erschrocken und sehr gestaunt, dass der Wurf aus einem der Häuser kam, die der Kirche gehören und von der Kirche vermietet werden. Wer genau geworfen hat, weiß ich nicht. Es könnte ja durchaus sein, dass in dem vermieteten Haus auch Besucher zugegen waren.
Zum Glück war relativ schnell klar, dass nichts Schlimmes passiert ist und insofern hat sich auch zügig Erleichterung breitgemacht. Es bleibt schon die Frage, wie groß der Widerstand ist, den wir hervorrufen. Wie fremd sind wir mitten in Köln als Kirche mittlerweile?
DOMRADIO.DE: Wie können Sie jetzt verzeihen? Können Sie den Ei-Wurf auf das Kind überhaupt verzeihen?
Wolf: Ich hege keinen Groll in mir. Zum wirklichen Verzeihen gehört schon, dass jemand kommt und sagt, er habe es getan und es tue ihm leid. Dann wäre das kein Problem. So wird es mich zwar nicht belasten, aber Versöhnung kann es so nicht wirklich geben.
Das Interview führte Heike Sicconi.
Anmerkung der Redaktion: Nach dem Interview hat sich der oder die Ei-Werfer(in) schriftlich in aller Form bei dem Jungen und der Gemeinde entschuldigt. Eine entsprechende Nachricht hat Gemeindereferent Tobias Wolf DOMRADIO.DE zukommen lassen. Ebenfalls wurde eine persönliche Entschuldigung angeboten. Zudem wurde in Aussicht gestellt, die Gemeinde - falls gewünscht - in einem sozialen Projekt zu unterstützen. Tobias Wolf äußerte sich sehr erfreut über die Entschuldigung.v