Der Leiter des Kommissariats der Bischöfe, Prälat Karl Jüsten, hat die Abgeordneten des Bundestages gebeten, dem Gesetzesvorhaben für eine Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare nicht zuzustimmen. In einem Schreiben an die Parlamentarier verwies Jüsten am Donnerstag auf verfassungsrechtliche Bedenken und die große Bedeutung der Ehe für das Gemeinwesen.
Besonderer Schutz der Ehe
"Kirche, Staat und Gesellschaft teilen die Erfahrung, dass in der Ehe die Aspekte einer verlässlichen Paarbeziehung und der Weitergabe des Lebens der leiblichen Eltern an ihre Kinder in besonderer Weise verbunden sind", heißt es in dem Brief, der der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) vorliegt. "Als Vereinigung, in der die Partner füreinander verbindlich Verantwortung übernehmen und die offen für gemeinsame Nachkommen ist, hat sie sowohl für den Einzelnen als auch für das Gemeinwesen große Bedeutung". Deshalb werde der besondere Schutz der Ehe im Grundgesetz "auch als eine Wertentscheidung für eine besondere Form des Zusammenlebens" verstanden.
Jüsten betonte, dass die Verfassung die Vereinigung von einer Frau mit einem Mann zu den Wesensmerkmalen der Ehe zähle. Dies habe das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zur Einführung des Lebenspartnerschaftsgesetzes im Jahr 2002 bestätigt. Eine einfachgesetzliche Öffnung der Ehe überdehne die Grenzen der Auslegung der Verfassung.
Verweis auf Papst Franziskus
Auch Papst Franziskus habe in seinem Apostolischen Schreiben "Amoris laetitia" 2016 zwischen gleichgeschlechtlichen Partnerschaften und Ehepaaren unterschieden, so Jüsten. "Er hat festgehalten, dass die katholische Kirche die große Vielfalt familiärer Situationen anerkennt, die Menschen einen Halt bieten, aber Partnerschaften zwischen Personen gleichen Geschlechts nicht mit der Ehe gleichgestellt werden können, da diesen Paaren die Weitergabe des Lebens verschlossen ist", so Jüsten.
Anmerkung der Redaktion:
Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) dokumentiert das Schreiben von Prälat Karl Jüsten im Wortlaut.
Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete,
der Deutsche Bundestag wird sich am kommenden Freitag in zweiter und dritter Lesung mit dem Gesetzesvorhaben zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts befassen.
Wesentlicher Regelungsgegenstand ist die einfach gesetzliche Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare.
Das Kommissariat der Deutschen Bischöfe hat im September 2015 Gelegenheit erhalten, im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz des Deutschen Bundestages zu zwei in etwa gleichlautenden Gesetzentwürfen zur Öffnung der Ehe für Personen gleichen Geschlechts Stellung zu nehmen. Wir haben dort dargelegt, dass gegen eine vorgeschlagene einfachgesetzliche Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare verfassungsrechtliche Bedenken bestehen.
Zu den Wesensmerkmalen der Ehe, die Art. 6 Abs. 1 GG als Institutsgarantie schützt, zählt, dass sie die Vereinigung von einer Frau mit einem Mann ist. Dies hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zur Einführung des Lebenspartnerschaftsgesetzes im Jahr 2002 bestätigt, in der es die eingetragene Lebenspartnerschaft als "aliud" zur Ehe ansieht und feststellt, dass die Gleichgeschlechtlichkeit der Partner das Institut der eingetragenen Lebenspartnerschaft von der Ehe unterscheide und es zugleich konstituiere. Dass die Verschiedengeschlechtlichkeit der Ehegatten ein Wesensmerkmal der Ehe ist, hat das Bundesverfassungsgericht auch in seinen nachfolgenden Entscheidungen zur Rechtstellung der eingetragenen Lebenspartner nicht in Frage gestellt. Mithin steht die einfachgesetzliche Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare mit einem verfassungsrechtlichen Wesensmerkmal der Ehe nicht im Einklang.
Soweit die Gesetzentwürfe einen Verfassungswandel annehmen, der die einfachgesetzliche Öffnung der Ehe ermöglicht, überdehnen sie unseres Erachtens die Grenzen der Auslegung der Verfassung. Denn wenn sie das Wesensmerkmal Verschiedengeschlechtlichkeit aufgeben, gehen sie von einem in seinem Kern veränderten verfassungsrechtlichen Ehebegriff aus und überschreiten damit die Grenzen der zulässigen Verfassungsauslegung.
Unabhängig von dem konkreten Gesetzesvorhaben möchte ich dafür werben, am bestehenden Ehebegriff und damit an der Unterscheidung zwischen eingetragener Lebenspartnerschaft und Ehe festzuhalten.
Kirche, Staat und Gesellschaft teilen die Erfahrung, dass in der Ehe die Aspekte einer verlässlichen Paarbeziehung und der Weitergabe des Lebens der leiblichen Eltern an ihre Kinder in besonderer Weise verbunden sind. Als Vereinigung, in der die Partner füreinander verbindlich Verantwortung übernehmen und die offen für gemeinsame Nachkommen ist, hat sie sowohl für den Einzelnen als auch für das Gemeinwesen große Bedeutung. Deshalb wird Art. 6 Abs. 1 GG nicht nur als Institutsgarantie verstanden, sondern auch als eine Wertentscheidung für eine besondere Form des Zusammenlebens. In dieser besonderen Form unterscheidet sie sich von anderen Lebensgemeinschaften, die bestimmte, die Ehe prägende Merkmale, nicht aufweisen. In diesem Sinne hat Papst Franziskus in seinem Apostolischen Schreiben "Amoris laetitia" vom 19.03.2016 zwischen gleichgeschlechtlichen Partnerschaften und Ehepaaren unterschieden.
Er hat festgehalten, dass die katholische Kirche die große Vielfalt familiärer Situationen anerkennt, die Menschen einen Halt bieten, aber Partnerschaften zwischen Personen gleichen Geschlechts nicht mit der Ehe gleichgestellt werden können, da diesen Paaren die Weitergabe des Lebens verschlossen ist. Er tritt damit dafür ein, Lebensgemeinschaften differenziert wahrzunehmen und der Unterschiedlichkeit der Lebensformen in angemessener Weise Rechnung zu tragen. Wie der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx am 28.06.2017 erklärt hat, würden die deutschen Bischöfe es bedauern, wenn der geltende Ehebegriff aufgelöst werden sollte.
Vor diesem Hintergrund bleibt nach unserer Auffassung die Unterscheidung der Institute eingetragene Lebenspartnerschaft und Ehe Institute bedeutsam, auch wenn ihre Rechtsstellung in den vergangenen Jahren weitgehend angeglichen wurde. Wir bitten Sie daher, dem Gesetzesvorhaben nicht zuzustimmen.
Mit freundlichen Grüßen Ihr
Prälat Dr. Karl Jüsten