Studie prognostiziert Schüler-Boom

Gedränge auf der Schulbank?

Bislang gingen die Schülerzahlen zurück. Doch nun kündigt sich durch mehr Geburten und Zuwanderung ein Schüler-Boom bis zum Jahr 2025 an, prognostizieren Forscher und fordern: die Schulpolitik muss komplett umdenken.

Autor/in:
Paula Konersmann
Schulkinder / © David-Wolfgang Ebener (dpa)
Schulkinder / © David-Wolfgang Ebener ( dpa )

Inklusion, Integration, Ganztagsschule: Die Aufgaben für Lehrer sind umfassender geworden. Künftig werden Anforderungen und Bedarf wohl noch steigen, denn laut einer Bertelsmann-Studie ist in den kommenden Jahren ein "Schüler-Boom" zu erwarten. Im Jahr 2025 wird an allgemeinbildenden Schulen mit etwa 8,3 Millionen Kindern und Jugendlichen gerechnet - rund 1,1 Millionen mehr als angenommen. Damit seien bisherige Prognosen der Kultusminister überholt.

Mit dieser Entwicklung, die sich mit Zuwanderung und steigenden Geburtenzahlen erklären lasse, habe niemand gerechnet, sagte Stiftungsvorstand Jörg Dräger. Nun seien Bund, Länder und Kommunen im Zugzwang.

Engpässe bei Gebäuden und Personal

Der Studie zufolge wird es regionale Unterschiede geben, etwa zwischen Stadtstaaten und Flächenländern. Zunächst würden die Grundschulen den Anstieg spüren. Dort fehlten im Jahr 2025 im Vergleich zu heute 24.110 Lehrer - sofern die Klassen nicht größer werden sollten. Zeitversetzt erreichten die starken Jahrgänge auch die Gymnasien, Gesamt-, Ober- und Regionalschulen: 9 Prozent mehr Schüler als heute würden 2030 die Sekundarstufe I besuchen. Dort würden zusätzlich etwa 27.000 Lehrer benötigt.

Weil aber den Lehrerkollegien eine "Pensionierungswelle" bevorstehe und an vielen Orten schon jetzt Kräfte fehlten, werde der Bedarf nur schwer zu decken sein. Die Studie nimmt auch die räumlichen Kapazitäten unter die Lupe und stellt fest: "2025 werden - bei gleichbleibender Schulgröße - fast 2.400 Grundschulen mehr nötig sein als heute. Etwas später kommen auf die weiterführenden Schulen ähnliche bauliche Engpässe zu."

"Baracken der Bildung"

Diese beiden zentralen Handlungsbereiche benennen auch zahlreiche Experten: Einerseits brauche es mehr Personal, andererseits müssten marode Schulgebäude dringend saniert werden. Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, sprach von einem "Herkulesprogramm". Häufig seien Schulen "nicht die Kathedralen der Bildung, sondern eher die Baracken der Bildung", sagte er im Deutschlandfunk. Der Deutsche Städtetag verwies auf Zahlen der KfW, laut denen bundesweit ein Investitions- und Sanierungsrückstand von mindestens 34 Milliarden Euro abzuarbeiten sei.

Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) forderte eine Lehrerausbildungsoffensive. Zudem müsse der Lehrerberuf attraktiver gemacht werden. Landsberg sagte, teils seien schon Grundschullehrer überfordert, "weil man inzwischen das Gefühl hat, die Schule ist die Reparaturwerkstatt. Alle sozialen Probleme werden da abgeliefert, und wenn es nicht funktioniert hat, heißt es, ja, die sind halt nicht richtig gefördert worden."

Forderung nach besserer Ausbildung

So müssten Lehrer in der Ausbildung etwa besser darauf vorbereitet werden, beispielsweise Kinder zu unterrichten, die die deutsche Sprache gar nicht beherrschten. Die Kommunen könnten Lehrer bei der Wohnungssuche oder der Betreuung ihrer eigenen Kinder unterstützen, um den Beruf attraktiver zu machen.

Streichungen von Lehrerstellen müssten sofort gestoppt werden, mahnte der Deutsche Philologenverband. Dessen Vorsitzender Heinz-Peter Meidinger bezeichnete die voraussichtliche Entwicklung zugleich als Chance für die Gesellschaft. Die Politik habe nun die Verantwortung, dem gerecht zu werden. Wer Sparmaßnahmen ins Kalkül ziehe, "setzt die Zukunftschancen unserer Jugendlichen aufs Spiel".

Deutsches Kinderhilfswerk: "Studie ist Weckruf"

Die Studienautoren betonen, dass es sich um eine "Szenariobetrachtung" handele. "Die tatsächlichen Geburtenzahlen und Wanderungsbewegungen werden voraussichtlich von den Annahmen abweichen. Trotzdem sind derartige Abschätzungen unerlässlich, um politische Handlungsnotwendigkeiten zu diskutieren und erkennen zu helfen."

Ein "Weckruf" sei die Studie, so das Deutsche Kinderhilfswerk, ein "weiter so" dürfe es nicht geben. Die Politik müsse sich auch strukturellen Problemen stellen und sich vor allem für Bildungsgerechtigkeit einsetzen. Auch dürfe es nicht nur um Quantität gehen: An Schulen müssten auch Kinderrechte vermittelt und mehr Wert auf die Persönlichkeitsbildung gelegt werden, etwa "mittels Politik-, Ethik oder Philosophieunterricht".


Quelle:
KNA