domradio.de: Sie fordern mit anderen Organisationen die Textilfirmen zu mehr Transparenz auf. Wie ist der Stand der Dinge?
Maik Pflaum (Referent der Christlichen Initiative Romero): Alle 130 Mitglieder im Textilbündnis mussten Arbeitspläne für dieses Jahr erstellen und darin sagen, wie sie die Arbeitsbedingungen in den Textilfabriken verbessern wollen. In diesem Jahr ist die Veröffentlichung der Pläne noch freiwillig. Wir appellieren aber an die Industrie, die Pläne sofort öffentlich zu machen, damit man überhaupt weiß, was drin steht und was sich die Industrie vorgenommen hat. Nur so können wir auch kontrollieren, ob es sich um anspruchsvolle Ziele handelt oder ob die nur der Öffentlichkeitsarbeit dienen.
domradio.de: Einige Textilfirmen haben diese Pläne gar nicht erst erstellt und sind deswegen aus dem Bündnis ausgeschlossen worden. Nimmt die deutsche Textilindustrie das Thema nicht ernst genug?
Pflaum: Ich würde sagen, dass die deutsche Textilindustrie das Thema im Großen nicht ernst genug genommen hat. Es gibt ein paar Unternehmen, die sich hier sehr gut verhalten, aber der Großteil hat das bisher nicht gemacht. Insofern war es schon schockierend, dass viele nicht einmal den Arbeitsplan für dieses Jahr erstellt haben und deswegen entweder noch schnell ausgetreten sind oder ausgeschlossen wurden.
domradio.de: Wie wird denn kontrolliert, ob die Arbeitsbedingungen zum Beispiel für die Näherinnen und Näher in Bangladesch verbessert werden?
Pflaum: Das ist ein großes Thema. Es ist schwierig, aber möglich. Ich glaube, die große Herausforderung für unser Textilbündnis ist es, einen Mechanismus aufzusetzen, der glaubwürdig ist und der wirklich herausbringt, ob Maßnahmen durchgeführt werden und auch eine Verbesserung bei den Nähern bringen. Ich glaube, dass ist jetzt genau der springende Punkt und den müssen wir im Textilbündnis durchsetzen. Aktuell gibt es da verschiedene Strömungen: Es gibt Akteure, die wollen das Niveau niedrig halten und es gibt andere, wie wir, die wollen es sehr hoch halten. Wir glauben nämlich, dass der Durchbruch jetzt erzielt werden muss, damit sich Arbeitsbedingungen wirklich verbessern. Denn die Arbeitsrechtsverletzungen in der Bekleidungsfabrik sind die Regel und nicht die Ausnahme.
domradio.de: Wie hat man sich denn so Verbesserungen vorzustellen?
Pflaum: Das geht bei ganz trivialen Sachen los: Gebäudesicherheit zum Beispiel, dass also das Gebäude nicht einstürzen kann oder dass die Arbeiter ausreichend Licht am Arbeitsplatz haben und die Augen keinen Schaden nehmen. Wichtig ist auch, dass sie zur Toilette dürfen, wenn sie müssen und zum Arzt dürfen, wenn sie krank sind. Ganz wichtig sind noch zwei Punkte: Einmal müssen sich die Arbeiter gewerkschaftlich organisieren dürfen, wenn sie das möchten, um für ihre Rechte eintreten zu können. Daneben müssen sie einen Lohn erhalten, der die Grundbedürfnisse befriedigt. Denn das ist immer noch die absolute Ausnahme. In der Regel braucht jede Arbeiterin oder Arbeiter noch zwei, drei oder vier Mindestlöhne, um den Grundbedarf einer Durchschnittsfamilie überhaupt abdecken zu können.
domradio.de: Sie sind als Christliche Initiative Romero eine der zivilgesellschaftlichen Organisationen, die sich im Textilbündnis für faire Arbeitsbedingungen in den Produktionsländern einsetzt. Was sind aus Ihrer Sicht die nächsten Schritte, die für die Textilproduzenten anstehen?
Pflaum: Zum einen ist die Transparenz wichtig, also dass öffentlich gemacht wird, was die nächsten Schritte sind, die ein Unternehmen vorhat. Dann bedarf es eines vernünftigen Kontrollmechanismus, der die Umsetzung auch nachweisen kann oder sagt, dass das Unternehmen da noch zu wenig gemacht hat. Im Grunde läuft es immer auf die Transparenz hinaus. Ich glaube auch, dass das für die Zukunft das Wichtigste ist. Das Ganze muss nun noch in Gesetzesform gefasst werden. Solange es bei einem freiwilligen Bündnis bleibt, kann man mitmachen oder eben nicht. Und wir sprechen hier über Arbeits- und Menschenrechte; die kann man im Grunde doch nicht der Freiwilligkeit eines Unternehmens überlassen. Das muss in vernünftige, strenge Gesetze gegossen und europäisch gelöst werden. Da hat die Bundesregierung eine ganz entscheidende Funktion. Also dieser Dreischritt aus Transparenz, Kontrolle und gesetzlicher Regelung ist nötig, um einen Erfolg zu haben. Sollte das nicht klappen, bleiben wir da, wo wir bereits seit 50 Jahren sind.
Das Interview führte Tobias Fricke