DOMRADIO.DE: Der Flüchtlingssommer 2015 in Europa - wir alle haben die Bilder noch im Kopf. Spielt sich ähnliches an der Grenze zwischen Venezuela und Kolumbien ab? Finden Sie diesen Vergleich treffend?
Monika Lauer-Perez, (Kolumbien-Referentin von Adveniat): Also es gibt nicht so furchtbar viele Grenzübergange, die offiziell und groß genug sind. Daher spielen sich, an den wenigen vorhandenen Grenzübergängen, tatsächlich solche Bilder ab, wie wir sie aus dem Sommer 2015 kennen. Dazu gibt es jedoch noch die grüne Grenze, die natürlich überaus durchlässig ist. Diese Grenze ist quasi nicht zu überwachen. Also, alles in allem kann die Situation hier als dramatisch bezeichnet werden.
DOMRADIO.DE: Nun ist Kolumbien auf der anderen Seite, ebenfalls ein Land, dass in jüngster Vergangenheit selbst einiges an Spannungen aushalten musste. Wir erinnern uns, in den vergangen Monaten verhandelte die Regierung mit den Farc-Rebellen. Wie geht das Land mit so einer Belastung um?
Lauer-Perez: Mit der Farc hat man bereits ein Friedensabkommen geschlossen. Im Moment geht es um Verhandlungen mit der ELN, der zweitgrößten Rebellengruppe. Diese Guerillagruppe hat ihre Hauptaktivität genau in dieser Grenzregion zu Venezuela. Das heißt, die Flüchtlingsbewegung in diesen Gebieten hat einen enormen Einfluss auf die dort lebende Bevölkerung und stellt eine große Belastung für sie da.
DOMRADIO.DE: Was heißt das konkret? Woran merkt man diese Belastung?
Lauer-Perez: Die Bevölkerung in diesen Gebieten lebt selbst unter Umständen, die nicht gerade als sehr stabil zu bezeichnen sind. Niemand weiß, in welchem Moment, oder wo das nächste Attentat der ELN passieren könnte. Wo möglicherweise Menschen entführt werden oder schlimmer noch, umgebracht werden könnten. Also, die aktuelle Situation dieser Menschen ist sowieso schon äußerst kompliziert. Dazu kommen dann diese, doch sehr massiven Flüchtlingsströme, die in diesem sehr unsicheren Ambiente untergebracht werden müssen. Das Ganze ist nicht einfach.
DOMRADIO.DE: Die Kirchen in Kolumbien engagieren sich um den geflohenen Menschen zu helfen. So auch Sie, als katholisches Lateinamerika Hilfswerk Adveniat. Was genau wird denn getan, um sowohl die Flüchtlinge, als auch die Menschen die dort leben zu unterstützen.
Lauer-Perez: Also, auf diplomatischen Ebene bemühen sich die venezolanischen Bischöfe um einen Dialog mit der Regierung. Auch die Kirche in dieser Grenzregion ist schon seit langem aktiv und unterstützt die Flüchtlinge die dort ankommen. Sie unterstützt die Menschen dort, mit dem was für sie notwendig ist. Medikamente, Unterbringung in einem Flüchtlingsheim und Nahrung. Also, alles was irgendwie möglich ist, versucht man zu tun. Wir von Adveniat schicken Lastwagen mit Lebensmitteln in die betroffenen Regionen.
DOMRADIO.DE: Dieser Konflikt wird sicherlich nicht von heute auf morgen zu lösen sein, besonders in Venezuela. Was muss getan werden, um die Situation vor Ort zu verbessern? Sehen Sie eine Ausweg aus der Lage?
Lauer-Perez: Im Grunde genommen nicht. Es ist zu vermuten, dass die wirkliche Eskalation erst in der nächsten Woche in Venezuela stattfinden wird. Wir müssen leider damit rechnen, dass sich die Situation noch weiter verschlimmert.
Das Gespräch führte Renardo Schlegelmilch.