Bei den Gesprächen legten die Hilfsorganisationen ihre Änderungswünsche für den Regelkatalog vor. Das italienische Innenministerium sprach im Anschluss von "wichtigen und signifikanten Schritten vorwärts". Ein endgültiger Textentwurf solle den Beteiligen noch am Freitag zugesendet werden. Die Unterzeichnung der Verpflichtungserklärung sei für Montagnachmittag geplant.
Laut dem Innenministerium fand die zweite Gesprächsrunde "in einem Klima der Zusammenarbeit und der konstruktiven Auseinandersetzung" statt. An der etwa zweistündigen Begegnung unter Leitung von Kabinettschef Mario Morcone nahmen neben den Hilfsorganisationen auch Vertreter des italienischen Außenministeriums, der Ministerien für Internationale Zusammenarbeit sowie Infrastruktur und Verkehr, hohe Beamte der Finanzpolizei und des Generalkommandos der Hafenbehörden teil.
Polizeipräsenz an Bord der Rettungsschiffe?
Der Verhaltenskodex in seiner ursprünglichen Fassung drängte unter anderem auf eine Polizeipräsenz an Bord der Rettungsschiffe, Offenlegung der Finanzierung und strengere Regeln für die Bergungsoperationen. Mit Blick auf den ursprünglichen Text des Verhaltenskodex verlangte "Ärzte ohne Grenzen" Italien vor dem Treffen am Freitag, es sei sicherzustellen, dass die Beamten die medizinische und humanitäre Hilfeleistung nicht behinderten. Polizeibeamte dürften nicht ständig an Bord und auch nicht bewaffnet sein. Auch müsse geklärt werden, wo und unter welchen Umständen ein Polizeieinsatz auf den Rettungsschiffen erfolgen könne.
Auch verlangte die Organisation, die Forderung nach einer "technischen Eignung" der Schiffe und ihrer Mannschaft zu präzisieren. Zu einer vorgesehenen Pflicht, sowohl die nächste Leitstelle für Seenotrettung als auch die Behörden des Heimatlands des Schiffs über eine Bergung zu informieren, erklärte "Ärzte ohne Grenzen", Vorrang müsse laut Seerecht immer die Rettungsaktion haben.
"Stets nationale und internationale Gesetze geachtet"
Weiter kritisierte die Organisation ein geplantes Verbot, gerettete Passagiere auf andere Boote umsteigen zu lassen. "Ärzte ohne Grenzen" erklärte, sie hätten ihre Operationen bereits "stets unter Beachtung der nationalen und internationalen Gesetze und unter der Koordination der italienischen Küstenwache" durchgeführt.
Besorgt äußerte sich die Organisation auch über eine Rückführung geborgener Bootsflüchtlinge nach Libyen. Nach Aussagen von Mitarbeitern drohten in den Lagern dort unbegrenzte Haft, eine unmenschliche Behandlung bis hin zu Folter und sexueller Gewalt.
Vorwürfe an Organisationen
Die Einsätze privater Helfer im Mittelmeer waren zuletzt in die Kritik geraten. Den Organisationen wurde unter anderem vorgeworfen, zu nahe an der libyschen Küste zu operieren und mit Schleppern Hand in Hand zu arbeiten. Beweise für letztere Vorwürfe gibt es nicht.
Neben "Ärzte ohne Grenzen" beteiligen sich unter anderem die "Migrants Offshore Aid Station" (Moas), Sea-Eye, Jugend Rettet und Proactiva Open Arms an Bergungsfahrten.