1947 wurde die Suchdienst-Verbindungsstelle des Roten Kreuzes gegründet

Seit über 70 Jahren auf der Suche nach Vermissten

30. Juli 1947: In Berlin wird die Suchdienst-Verbindungsstelle des Roten Kreuzes gegründet. Der Grund: Die Besatzungsmächte einigen sich nicht auf einen gemeinsamen Suchdienst für Vermisste des Zweiten Weltkrieges.

Autor/in:
Christoph Koitka
Der Schriftzug "Suchdienst München" / © Marc Müller (dpa)
Der Schriftzug "Suchdienst München" / © Marc Müller ( dpa )

Der Krieg ist noch nicht vorbei, da treffen im Frühjahr 1945 zwei ehemalige Ostfrontkämpfer eine zukunftsträchtige Entscheidung. In Flensburg richten die Wehrmachtsoffiziere Helmut Schelsky und Kurt Wagner einen Suchdienst für Vermisste ein. Damals sind 30 Millionen Deutsche voneinander getrennt. Schelsky und Wagner gehen davon aus, das jeder Suchende auch selbst vermisst wird. Daher bekommen in ihrer Kartei beide eine entsprechende Karte. Ihren Dienst nennen sie "Deutsches Rotes Kreuz, Flüchtlingshilfswerk, Ermittlungsdienst, Zentral-Suchkartei".

Der so entstandene DRK-Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes spürt bis heute Vermissten in aller Welt nach. In den ersten Jahren waren es vor allem Plakate, Rundfunkdurchsagen und Heimkehrerbefragungen, die Getrennte wieder zusammenbrachten. Von Online-Datenbanken und digitalen Bildern konnten die DRK-Mitarbeiter nur träumen. Die Situation nach Kriegsende erschwert die Arbeit nicht nur durch die chaotischen Zustände und die unzureichenden Werkzeuge; auch administrativ werden den Suchern durch die Besatzungsmächte Steine in den Weg gelegt.

Flucht, Vertreibung und Katastrophen

Besonders heikel ist die Situation in der Vier-Sektoren-Stadt Berlin. Hier können sich die Besatzer nicht auf einen gemeinsamen Suchdienst einigen. Um die Arbeit der beiden Einrichtungen im amerikanischen und im sowjetischen Sektor zu koordinieren, richtet das DRK am 30. Juli 1947 eine "Suchdienst-Verbindungsstelle" in Berlin-Dahlem ein. Seit 1949 arbeitet der Suchdienst des DRK im Auftrag der Bundesregierung.

Diese Arbeit lässt sich das Innenministerium im Jahr 11,5 Millionen Euro kosten. "Wir helfen Menschen, die infolge von Flucht, Vertreibung und Katastrophen von ihren Angehörigen getrennt wurden", sagt DRK-Präsident Rudolf Seiters. "Jeder Mensch hat das Recht zu erfahren, was mit vermissten Angehörigen geschehen ist und einen Anspruch, mit ihnen wieder Kontakt aufzunehmen" - damals wie heute.

Jüngerer Konflikte

Der Zweite Weltkrieg ist seit über 70 Jahren vorbei. Die Ungewissheit, die er hinterlassen hat, dauert für viele Menschen an. Nicht alle Familien, die in den Kriegswirren ihre Angehörigen verloren, haben diese wiedergefunden. Die Nachforschungen des DRK-Suchdienstes gehen weiter. Im vergangenen Jahr gingen fast 9.000 Suchanfragen zu Vermissten des Zweiten Weltkrieges ein. Im ersten Quartal 2017 waren es bereits 2.240. Die Suchenden sind zumeist Kinder und Enkel der Verschollenen.

Der Fokus der Arbeit liegt inzwischen allerdings auf Betroffenen jüngerer Konflikte. Seit 2015 ist der DRK-Suchdienst stark mit Anfragen von Menschen beansprucht, die auf der Flucht aus aktuellen Krisengebieten getrennt worden sind. 2016 gab es rund 2.800 solcher Anfragen - ein neuer Höchststand. Die Tendenz ist steigend: Im ersten Quartal diesen Jahres wurde der Dienst bereits über 600 Mal angefragt. Die Suchenden und Gesuchten von heute forschen nicht mehr zwischen Ostfront und Deutschland. Hauptherkunftsländer sind nunmehr Afghanistan, Syrien und Somalia.

Die Suche nach Vermissten des Zweiten Weltkrieges läuft im Jahr 2023 aus. Erst kürzlich unterzeichneten Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU) und der DRK-Chef eine entsprechende Vereinbarung. Die Arbeit des Suchdienstes aber geht weiter, bekräftigt der DRK-Präsident: "Die andauernden weltweiten Konflikte mit Millionen von Flüchtlingen zeigen, wie unverzichtbar eine international vernetzte Institution wie der DRK-Suchdienst auch in Zukunft ist."


Rudolf Seiters, DRK-Präsident / © Nestor Bachmann (dpa)
Rudolf Seiters, DRK-Präsident / © Nestor Bachmann ( dpa )
Quelle:
KNA