Keine Beunruhigung, aber die Vorsicht wächst. Angesichts der Vorfälle in Spanien erhöht auch Italien die Sicherheitsvorkehrungen. Bislang ist das Land, in dem seit 2014 rund 600.000 meist muslimische Flüchtlinge und Migranten gelandet sind, vor islamistischen Anschlägen verschont geblieben. Doch jetzt nehmen die Behörden Plätze und Fußgängerzonen als potenzielle Attentatsziele in den Blick.
Am Wochenende sicherte Mailand die historische Einkaufsgalerie Vittorio Emanuele II. nahe dem Dom durch Einfahrtssperren. Geplant sind Betonbarrieren auch in La Darsena, einer beliebten Flanierzone der norditalienischen Metropole. Ähnlich wollen die Adria-Stadt Bari und Badeorte wie Anzio und Nettuno Sicherheitslücken schließen.
Erhöhte Wachsamkeit
Italiens Innenministerium vermied nach den Todesfahrten von Barcelona und Cambrils jeden Alarmismus: Die Bedrohungslage habe sich nicht verändert, die Wachsamkeit bleibe äußerst hoch, hieß es nach einer Sondersitzung mit Polizei- und Geheimdienstspitzen. Zugleich wies Minister Marco Minniti Polizeipräfekten und Stadtverwaltungen an, ihre Schutzkonzepte zu prüfen und anzupassen.
Die Öffentlichkeit ist sensibilisiert; drei der Todesopfer von Barcelona waren Italiener. Dann ging die Nachricht durch die Medien, eine Internet-Publikation des "Islamischen Staats" (IS) nenne Italien als nächstes Ziel. Beruhigende Stimmen verwiesen auf die strikte Ausweisungspolitik des Landes: Erst am Samstag wurden drei mutmaßliche Islamisten ausgeflogen; seit 2015 waren es 202.
Schon jetzt sind im Rahmen der Operation "Sichere Straßen" landesweit 7.000 Soldaten im Einsatz, die mit Maschinenpistolen und teils mit gepanzerten Fahrzeugen sensible Objekte und besonders belebte Orte bewachen. Dennoch weist gerade die Hauptstadt weiterhin etliche weiche Ziele auf, etwa die Via del Corso, eine mehr oder weniger ungeschützte Einkaufsmeile, und die Via dei Fori Imperiali beim antiken Forum Romanum.
Nach einem Treffen zwischen Vertretern von Regierung, Polizei und Vizebürgermeister Luca Bergamo am Samstag wird erwogen, wie sich solche Zonen gegen Amokfahrten sichern lassen. Strengere Kontrollen wird es möglicherweise auch für Chauffeurdienste geben, die mit Kleinbussen mit schwarz getönten Scheiben unterwegs sind.
Drohung gegen den Vatikan
Eine Drohung der Terrormiliz IS gegen Rom und den Vatikan ist nicht neu: Im Oktober 2014 zeigte das Propagandamagazin "Dabiq" in einer Fotomontage den Obelisken auf dem Petersplatz mit aufgepflanzter IS-Flagge. "Wir werden euer Rom erobern, eure Kreuze zerbrechen und eure Frauen versklaven, wenn es Allah, der Höchste, gestattet", drohte IS-Sprecher Abu Mohammad al-Adnani.
Es passierte nichts. Seit dem Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt ist die auf den Petersplatz zuführende Via della Conciliazione mit Betonkübeln abgesperrt. Ansonsten stehen täglich Tausende Pilger und Besucher unbehelligt Schlange vor dem Petersdom oder den Vatikanischen Museen oder versammeln sich zu Audienzen und Gottesdiensten.
Auch Roms übrige Kirchen meldeten bisher keine islamistischen Attacken - klammert man einen psychisch verwirrten Ghanaer aus, der vergangenen September Heiligenfiguren vom Sockel stürzte.
Gute Nachbarschaft mit Muslimen
Rom rühmt sich einer guten Nachbarschaft zwischen der katholischen Mehrheit und den Muslimen. Wenn in der Vergangenheit in einer der vielen Hinterhof-Moscheen die Polizei anrückte, ging es in der Regel um ungenehmigte Umbauten oder fehlende Feuerlöscher, nicht um Hassprediger.
Und ein paar Flussbiegungen vom Vatikan aufwärts liegt eine der größten Moscheen Europas - auf einem Areal fast doppelt so groß wie die Fläche des Petersdoms, finanziert von der saudischen Königsfamilie, eine geistliche Heimat für Muslime aus Marokko und Ägypten, Indonesien und Senegal.
Am 17. September findet in Rom ein vom Vatikan initiierter Friedens-Halbmarathon statt, der symbolisch den Petersdom mit der Großen Moschee und der jüdischen Synagoge verbinden soll. Auch Italiens Ministerpräsident Paolo Gentiloni hält unverdrossen an der Vision einer freien, offenen Gesellschaft fest: Auf einem Katholikentreffen am Sonntag in Rimini wandte er sich gegen eine Politik "der Mauern und der Angst".