Harte Kante zeigen gegen Islamisten: Angesichts von Terrordrohungen und Anschlägen steht das Thema Innere Sicherheit im Bundestagswahlkampf hoch im Kurs. Abseits einfacher Slogans erweist sich der Umgang mit Gefährdern, denen die Polizei jederzeit einen Terrorakt zutraut, in der Praxis aber zäher als gedacht.
Diese Erfahrung macht gerade Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius, der im Team von SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz für die Innere Sicherheit zuständig ist. Nach der angeordneten Abschiebung zweier Islamisten aus Göttingen nach Nigeria und Algerien drohte Pistorius weiteren Gefährdern im Frühjahr "jederzeit mit der vollen Härte der uns zur Verfügung stehenden Mittel".
Klage vor Bundesverwaltungsgericht
Weitere Abschiebungen aber gab es nach diesen markigen Worten in Niedersachsen nicht, denn auch bei diesen beiden Gefährdern ist das juristisch letzte Wort noch nicht gesprochen. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig befasste sich an diesem Dienstag mit der Klage der beiden jungen Männer, die zwischenzeitlich bereits nach Nigeria und Algerien ausgeflogen wurden und bestätigte die Abschiebung als rechtmäßig.
Zwar wird das Bundesgericht die bereits vollzogenen Abschiebungen erwartungsgemäß billigen, nachdem es Eilanträge bereits abwies. Ein Allheilmittel im Kampf gegen gefährliche Islamisten, die nicht wegen einer konkreten Straftat hinter Gitter geschickt werden können, sind Abschiebungen aber nicht. Sie kommen nur bei einem kleineren Teil der bundesweit knapp 700 Gefährder in Betracht. Wer Deutscher ist oder die deutsche Staatsangehörigkeit neben einer ausländischen besitzt, der ist vor einer Abschiebung geschützt.
Dazu kommt, dass das Aufenthaltsgesetz unter §58a klare Voraussetzungen für eine Abschiebung formuliert. Diese ist möglich "auf Grund einer auf Tatsachen gestützten Prognose zur Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr (...)". Ein vager Verdacht oder ein Bauchgefühl alleine reicht also nicht. Die entsprechende Möglichkeit war nach den Terroranschlägen in den USA vom 11. September 2001 geschaffen worden. Niedersachsen nutzte sie als erstes Land und betrat damit bundesweit Neuland.
Lange Wartezeit auf Zusagen aus Heimatländern
Große Nachahmung hat der harte niedersächsische Schritt gegen die in Göttingen geborenen Gefährder bislang nicht gefunden. Möglicherweise auch, weil das Leipziger Gericht im Fall des Algeriers in seinem Eilentscheid die Abschiebung von der Zusicherung der algerischen Regierung abhängig machte, dass dem Betroffenen keine Folter oder unmenschliche Behandlung droht. Etliche Monate verstrichen, bis eine solche Zusage aus Algerien in Hannover eintraf. Andere Zielländer von Abschiebungen mit schwieriger Menschenrechtslage dürften kaum kooperativer und schneller reagieren.
Zudem sind die rechtlichen Möglichkeiten abschiebebedrohter Gefährder mit dem Gang zum Bundesverwaltungsgericht nicht ausgeschöpft. So stoppte Anfang August der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Abschiebung eines russischen Gefährders in Bremen, als dieser sich bereits auf dem Weg zum Flughafen befand. Nachdem ein Eilantrag und eine Verfassungsklage abgewiesen worden waren, hatte der 18-Jährige als letzte Möglichkeit Beschwerde bei dem EU-Gericht in Straßburg eingelegt.
Reisepässe einkassieren
Um Gefährder zumindest an der Ausreise in die Kampfgebiete der Terrormiliz Islamischer Staat zu hindern, können deutsche Behörden auch die Reisepässe der Betroffenen einkassieren. Auch hier gibt es aber rechtliche und praktische Probleme, wie sich kürzlich am Verwaltungsgericht Hannover zeigte. Zwar gaben die Richter der Stadt Hildesheim Recht, die eine Gefährderin zur Abgabe ihres libanesischen Reisepasses aufgefordert hatte. "Meinen Pass kriegt ihr nicht", schleuderte die Frau aber Polizisten entgegen, als diese das Dokument abholen wollten, eine Wohnungsdurchsuchung blieb ergebnislos.
Erfolg versprechen sich die Behörden auch von einem Verbot der Rekrutierungsorte der radikalen Islamisten, denn dort werden junge Menschen radikalisiert und Gefährder herangezüchtet. Im März verbot das niedersächsische Innenministerium den Deutschsprachigen Islamkreis Hildesheim. Die beschlagnahmte Moschee will das Land verkaufen. Wenige Wochen zuvor war in Berlin der umstrittene Moschee-Verein Fussilet 33 verboten worden, in dem auch Attentäter Anis Amri häufig verkehrte.
Automatische Gesichtserkennung
Noch etwas futuristisch mutet unterdessen ein Test im Berliner Bahnhof Südkreuz mit einer automatischen Gesichtserkennung an. Erprobt wird seit Anfang August, ob an eine Computer-Software gekoppelte Überwachungskameras Gesichter von Menschen wiedererkennen können. Die Sicherheitsbehörden begründen ihr Vorhaben auch damit, dass mögliche Gefährder vor einem Anschlag erkannt und die Tat vereitelt werden könnte. "Unsere öffentlichen Plätze müssen sicher sein", argumentierte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU). Juristen aber haben rechtliche Zweifel an dem Projekt.