Die Bürgerrechtsbewegung der 50er und 60er Jahre wurde "hauptsächlich von Predigern angeführt" - das sagte der Sohn von Martin Luther King (1929-1968) am Montag (Ortszeit) in Washington. Eine "moralische Führung" in Amerika müsse von "religiösen Führern kommen", erklärte Martin Luther King III. vor mehreren tausend Geistlichen und Gläubigen unterschiedlicher Glaubensgemeinschaften. Diese hatten sich am Montag in Washington zu einer Kundgebung gegen Rassismus versammelt. An diesem Tag war der 54. Jahrestag der legendären "Ich habe einen Traum"-Rede des Bürgerrechtsführers.
Der Weg der mehrheitlich schwarzen "Tausend Pastoren-Kundgebung für Gerechtigkeit" führte vom Martin Luther King-Denkmal zum Justizministerium. Einer der Auslöser für den Marsch waren die gewalttätigen Ausschreitungen von Neo-Nazis, Rechtsextremen und Ku-Klux-Klan-Anhängern in der Universitätsstadt Charlottesville (US-Staat Virginia) Mitte August. Dies hatte die Kirchen wachgerüttelt.
Aus Worten sollen Taten werden
Der baptistische Pastor Marquez Ball aus Laurel (US-Staat Maryland) forderte im Rundfunksender WAMU, eine "neue Generation" solle beweisen, dass "die Bürgerrechtsbewegung nie aufgehört hat". Aus zahlreichen Kirchen kommen seit Charlottesville deutliche Anti-Rassismus Statements. "Wir müssen fest gegen Rassismus und Antisemitismus eintreten", betonte die Leitende Bischöfin der Evangelischen Lutherischen Kirche in Amerika (ELKA), Elizabeth Eaton.
Der Präsident der Vereinigten Methodistischen Kirche, Bruce Ough, verlangte, "unsere dünnen Worte müssen zu dicken Taten werden".
Kritik an Trump?
Bei den Themen Rassismus und Diskriminierung geht es unweigerlich auch um US-Präsident Donald Trump, der von den Rednern auf der Kundgebung scharf kritisiert wurde. Trump hatte nach Charlottesville seine Kritik an "der entsetzlichen Demonstration von Hass, Bigotterie und Gewalt" relativiert mit der Behauptung, auf beiden Seiten habe es "sehr anständige Leute" gegeben.
Doch die Meinungen der Gläubigen gehen auseinander: Rund 80 Prozent der weißen Evangelikalen und beträchtliche Anteile der weißen Protestanten und Katholiken haben Trump gewählt. Afro-Amerikanische Christen fast ausschließlich die Demokratin Hillary Clinton. Viele weiße Evangelikale bleiben Trump treu. Nur ein Mitglied von seinem 25-köpfigen evangelikalen Beraterteam trat nach den Vorgängen in Charlottesville zurück.
"Komitee gegen Rassismus" der Bischofskonferenz
Paula White, Pastorin einer evangelikalen sogenannten Megakirche, erläuterte ihr Verbleiben. Trump sei kein "geschliffener Politiker", sondern ein authentischer Mann, "der von Gott erhöht worden ist", sagte sie in einer Talkshow. Der evangelikale Bischof Harry Jackson, ebenfalls Berater, warf den Demonstranten am Montag laut "Washington Post" Scheinheiligkeit vor. Die Protestierenden lehnten eine Zusammenarbeit mit Trump von vorneherein ab.
Die römisch-katholische Bischofskonferenz richtete nach Charlottesville ein neues "Komitee gegen Rassismus" ein. Es habe sich gezeigt, wie stark die Sünde des Rassismus die USA noch immer beeinflusse, erklärte Konferenzpräsident Kardinal Daniel DiNardo.
Wie rassengerecht ist die Kirche?
Katholische Priester waren bei den Bürgerrechtskundgebungen der Sechziger dabei gewesen. Doch letztmals hatten die Bischöfe 1979 mit einer umfassenden Aussage Stellung bezogen. Rassismus sei "radikal böse", hieß es darin. Wenn man diesen Befund ernst nehme, kommentierte der afro-amerikanische Theologe Bryan Massingale im katholischen Magazin "Crux", dann hätte die Kirche "radikale Antworten" finden müssen.
"Und die haben wir leider nicht gesehen", sagte Massingale, Autor der Studie "Rassengerechtigkeit in der katholischen Kirche". Drei Millionen der etwa 70 Millionen US-Katholiken sind Afro-Amerikaner.
Trennung in den Kirchen
Mit ihrer Ansage zum Rassismus sind die Bischöfe auf Distanz zu Trump gegangen. Der Jesuit Thomas Reese schrieb Ende August im Informationsdienst "Religion News Service", die Flitterwochen der "Zweckehe" der Bischöfe mit Trump "sind vorbei". Nach anfänglicher Zufriedenheit über Trumps harte Linie gegen Abtreibung wachse die bischöfliche Sorge über dessen Einwanderungs- und Sozialpolitik.
Die Beziehungen zwischen Schwarz und Weiß waren für die Kirchen schon immer eine komplizierte Angelegenheit. Historisch geht das zurück auf die Sklaverei, die 1865 mit dem Bürgerkrieg zu Ende ging. Einige Kirchen rechtfertigten damals die weiße "Überlegenheit" mit der Bibel.
Sonntags gehen Schwarze und Weiße sowie Latinos meist getrennte Wege: In großen protestantischen Kirchen stellen Weiße die überwältigende Mehrheit, während man in historisch schwarzen Kirchen kaum weiße Gottesdienstbesucher vorfindet.