Die 390 Mitglieder der anglikanischen Episkopal-Kirche von Lexington (Virginia) können sich einfach nicht einigen. Soll ihre Kirche weiter den Namen ihres berühmtesten Mitglieds tragen? Es geht um General Robert E. Lee, der im US-Bürgerkrieg (1861-1865) als Anführer der Südstaaten-Streitkräfte für den Erhalt der Sklaverei kämpfte.
Die Namensdebatte in Lexington kam erstmals nach dem Anschlag von Charleston vor zwei Jahren auf. Damals, am 17. Juni 2015, erschoss ein weißer Rassist neun Schwarze in einer Methodisten-Kirche. Später tauchten Fotos des Attentäters auf, die ihn posierend mit der Flagge der Südstaaten-Konföderation zeigen. Unter dem Eindruck des Verbrechens startete die Kirchenleitung eine anonyme Umfrage. Diese mündete in einen 15-Seiten-Bericht zum Für und Wider einer Namensänderung.
In einer Petition mit fast 6.000 Unterschriften wurde schließlich die Streichung des berühmten Namens gefordert. Doch auch zahlreiche Fürsprecher Lees meldeten sich zu Wort. Der hitzige Streit über die "Sünde des Rassismus" ließ selbst alte Freundschaften zu Bruch gehen.
Nach Charlottesville diskutiert die Gemeinde verstärkt
Nun haben die schweren Ausschreitungen bei der Kundgebung von Rechtsextremisten in Charlottesville (Viginia) vor rund zwei Wochen die Debatte über die "Causa Lee" neu entfacht.
Für Elizabeth Harallson ist der Fall klar. Sie ist seit 41 Jahren Mitglied der Gemeinde - und hält eine Änderung des Namens für alternativlos. "Ansonsten können wir keinen Beitrag zum Dialog leisten", meint sie. Ein anonymes Kirchenmitglied widerspricht: "Ich glaube fest daran, dass Lee ein bewundernswerter Mann des Glaubens war, mit Mängeln wie du und ich."
Ein streitbarer Militärgeneral aus dem 19. Jahrhundert
Tatsächlich ist die historische Rolle General Lees bis heute umstritten. Er gilt als militärisches Genie, das mehrere aussichtslose Schlachten für die Südstaaten gewann. Noch heute gehört seine Kriegstaktik zum Lehrstoff an Militärakademien. Auch im Norden der USA genießt Lee Ansehen. Doch für viele Kritiker ist er in erster Linie ein Symbol der Südstaaten-Sklaverei, obwohl sich der General nach dem Krieg um einen Aussöhnung zwischen den verfeindeten Parteien bemühte.
Unbestritten ist seine starke Bindung zu Lexington. Der angesehene, aber geschlagene Südstaaten-Anführer kehrte im September 1865 in die Stadt zurück. Dort wurde Lee Mitglied der damals gerade 25 Jahre alten "Grace Church" und übernahm eine Leitungsaufgabe. Unter seiner Führung wurde die Gemeinde wieder aufgebaut. Nach Lees Tod 1870 bekam die Kirche einen neuen Namen. Für die folgenden drei Jahrzehnte nannte sie sich "Grace Memorial Church" - bis sie 1903 den Namen ihres berühmten ehemaligen Mitglieds annahm.
Der Historiker David Cox erklärt die fehlenden Dokumente, die eine offizielle Umbenennung belegen könnten, mit der Selbstverständlichkeit der damaligen Entscheidung. Umgangssprachlich hätten die Gemeindemitglieder schon lange von "Lees Kirche" gesprochen. Nach Charleston und Charlottesville ist der Kirchenname zu einem Problem geworden. Die Diskussionen kreisen um die Frage, ob er im 21. Jahrhundert unangemessen sei oder missverstanden werden könne.
Umgang mit dem Erbe spaltet USA
Wie sehr das Gemüter auch außerhalb der Gemeinde bewegt, zeigen die emotionalen Diskussionen über den rechten Umgang mit Konföderierten-Denkmälern überall im Süden der USA. In Charlottesville führte dies zur Gewalteskalation, als die Stadt beschloss, ein Reiterdenkmal von General Lee zu entfernen.
Im Fall der "R. E. Lee Memorial Episcopal Church" stellt sich jetzt – im kleinen Maßstab - die Frage, die US-Amerikaner im ganzen Land umtreibt. Kann man den Christen Lee und den Konföderierten Lee getrennt voneinander beurteilen? Weder die USA noch das Städtchen Lexington haben darauf bisher eine zufriedenstellende Antwort gefunden.