Der Politologe hält die Strafanzeige der Stadt Ingolstadt gegen die NPD für "absolut gerechtfertigt". "Wenn wie im vorliegenden Fall eine Minderheit in diskriminierender Weise ausgegrenzt wird, ist dies nicht nur geschmacklos, sondern auch strafrechtlich relevant", sagte Klaus Stüwe der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).
"Damit wird aus meiner Sicht die Menschenwürde eines Teils der Bevölkerung verletzt." Stüwe äußerte sich zu in Ingolstadt hängenden NPD-Plakaten mit der Aufschrift "Geld für die Oma statt für Sinti und Roma".
Man verurteile "die geschmacklose Darstellung" der Plakate aufs Schärfste, hatte die Stadt Ingolstadt bereits am Dienstag dazu mitgeteilt. Deshalb solle die Rechtmäßigkeit dieser Wahlwerbung nun durch staatliche Ermittlungsbehörden geprüft werden. Denn die deutsche Gerichtsbarkeit habe das Plakatmotiv in der Vergangenheit durch die vom Grundgesetz geschützte Meinungsfreiheit gedeckt gesehen.
Tatbestand der Volksverhetzung?
Politikwissenschaftler Stüwe erklärte jetzt jedoch: Wer jemanden wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Bevölkerungsgruppe verächtlich mache, störe den öffentlichen Frieden und könne deshalb wegen Volksverhetzung strafrechtlich belangt werden.
"Dass Wahlplakate politische Themen zuspitzen sollen und durchaus auch polarisieren können, ist legitim", so Stüwe. In der Demokratie diene Werbung vor den Wahlen dazu, Wähler zu mobilisieren und in prägnanter Form über politische Positionen zu informieren. Dies werde insbesondere durch die grundgesetzlich garantierte Meinungsfreiheit ermöglicht. Jedoch seien Grenzen zu beachten.
"Für die Verbreitung unwahrer Tatsachenbehauptungen auf Wahlplakaten gibt es zum Beispiel in aller Regel keinen rechtfertigenden Grund. Auch ehrverletzende Schmähkritik, die dazu dient, andere zu diffamieren, ist nach der Rechtsprechung unzulässig."
Kritik des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma
Unzulässig ist laut Zentralrat Deutscher Sinti und Roma auch die "Untätigkeit" der Stadt Ingolstadt. Sie verstoße gegen das Recht, "insbesondere gegen das Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten des Europarates und der Antirassismus-Konvention der Vereinten Nationen".
Der Zentralrat führt dazu an, dass ein 2015 vom Bundesjustizministerium in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten den antiziganistischen und rassistischen Gehalt der Plakate festgestellt habe. Es halte zudem fest, dass für die Bundesrepublik neben Grundgesetz und Strafgesetzen vor allem die internationalen Vorschriften aus menschenrechtlichen Übereinkommen gelten würden.
Es sei daher unerheblich, ob die Wahlkampfplakate womöglich von der Meinungsfreiheit gedeckt seien und keine Volksverhetzung darstellten - so hätten seit 2013, also seit dem ersten Auftauchen der Plakate, mehrere Verwaltungsgerichte geurteilt. Denn die Plakate - deretwegen man vergangene Woche Anzeige erstattet habe - verstießen gegen völkerrechtlich normierte Verbotsnormen, die Teil der deutschen Rechtsordnung seien.
So sieht es auch das Deutsche Institut für Menschenrechte in Berlin: Die örtlichen Behörden müssten die Plakate unverzüglich abhängen. "Grund ist die grund- und menschenrechtliche Schutzpflicht des Staates vor rassistischen Angriffen."
Plakate in Koblenz abgehängt
Unterdessen teilte der Zentralrat gegenüber der KNA mit, dass die NPD-Wahlplakate auch in Koblenz aufgehängt worden seien. Dort hätten die Behörden die Plakate aber abnehmen lassen. Bereits vor dem aktuellen Bundestagswahlkampf habe die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) dem Zentralrat zugesagt, "dass in ihrem Bundesland einer rassistischen Propaganda mit allen Mitteln des Rechtsstaats begegnet" werde. Ob das Plakat in weiteren Städten verbreitet worden sei, wisse man nicht.
Der Deutsche Städtetag in Bonn sagte zu dem Thema auf KNA-Anfrage, man habe keinen Überblick über die Verbreitung dieses NPD-Wahlplakats und von einzelnen Städten auch keine Anfragen zum Umgang damit erhalten. Eine rechtliche Beratung sei in diesem Falle vonseiten des Städtetags auch nicht möglich.