Vatikan-Kenner über den Giro d'Italia 2018

Vom Heiligen Land in die Ewige Stadt

Es ist eine Premiere in der Geschichte des Giro. Zum ersten Mal soll das berühmte Radrennen außerhalb Europas starten: in Jerusalem. Von dort soll bis in die Ewige Stadt Rom gestrampelt werden. Das Ziel wird wahrscheinlich der Vatikan.

Jubeln die Radprofis des Giro d'Italia (hier Tom Dumoulin) 2018 im Vatikan?
 / © Antonio Calanni (dpa)
Jubeln die Radprofis des Giro d'Italia (hier Tom Dumoulin) 2018 im Vatikan? / © Antonio Calanni ( dpa )

domradio.de: Wie kam es denn dazu, den Startpunkt des Radrennens sozusagen auszulagern?

Ulrich Nersinger (Vatikan-Kenner): Als ich das hörte, fand ich das eine unglaublich tolle Idee. Man versucht, sowohl geschichtlich, kirchengeschichtlich als auch politisch etwas auf die Wege zu bringen. Ich finde es einfach nur toll, dass man in einem Krisengebiet, das aber auch ein Gebiet ist, mit dem wir Christen aber auch die anderen Religionen sehr eng verbunden sind, den Giro d'Italia beginnt und dass man ihn dann vermutlich im Vatikan enden lassen soll. Auch hier handelt es sich wieder um ein Herzstück der Christenheit, wo Petrus beigesetzt ist. Das finde ich in vielfacher Hinsicht eine tolle Idee.

domradio.de: "Krisengebiet" ist aber wahrscheinlich das, was den meisten Menschen zu Jerusalem einfällt. Ist das denn nicht gefährlich - so ein großes Sport-Event ausgerechnet im Zentrum des Nahost-Konfliktes anfangen zu lassen?

Nersinger: Natürlich. Das war auch mein zweiter Gedanke. Aber ich finde es trotzdem in dieser Hinsicht toll, weil es natürlich auch einen gewissen Mut zeigt. Ein Mut, den man wahrscheinlich in den schwierigen Zeiten heute braucht, um zu zeigen: Wir geben nicht auf, wir lassen uns nicht von Terror und Krieg unterkriegen, sondern wir tun etwas dagegen und setzen auch etwas ein. Ich denke, dass die israelischen Sicherheitskräfte das sehr gut hinkriegen. Die sind immer sehr gut ausgestattet und informiert. Ich finde das toll und auch ein gutes Zeichen des Mutes.

domradio.de: Die Tour steht unter dem Motto "Frieden und Koexistenz" - ein starkes Signal?

Nersinger: Ja, das denke ich auch. Ich denke, dass das auch für den Vatikan etwas ist, mit dem man sich in sportlicher Hinsicht sehr verbunden fühlt. Man darf nicht vergessen, dass seit 1946 die Päpste sehr am Giro d'Italia interessiert sind. Sie empfangen Radsportler, was auch in ökumenischer Hinsicht interessant ist. In den 1940er Jahren hat Papst Pius XII. den Sieger empfangen, der Kalvinist war. Man darf auch nicht vergessen, dass der Vatikan schon einmal in den Giro d'Italia 1974 sehr stark involviert war. Damals startete der Giro vom Vatikan aus. Papst Paul VI. hat bei diesem sportlichen Großereignis mit einer Flagge den Startschuss gegeben. Es gibt sehr schöne Bilder, auf denen er sich mit einer der großen Rennsportlegenden,Eddy Merckx, unterhält.

domradio.de: Warum hat dieses Radrennen denn so eine große Bedeutung für die Päpste und den Vatikan?

Nersinger: Sie waren auch Fans muss man sagen. Ab Pius XII. haben wir wirklich Fans und es wurden sehr häufig auch die Siegertrikots dem Papst übergeben. Man hat den Papst auch um einen Schutzpatron gebeten und dann ein Marienheiligtum zum Zentrum des katholischen Schutzes des Giro d'Italia erwählt. Eine der ersten Segnungen, die Papst Franziskus unternommen hat, war die Segnung des rosa Trikots. Das ist das entscheidende Trikot beim Giro. Im Jahr 2013 hat der Papst in der Casa Santa Marta dieses Trikot gesegnet.

Man sieht, die Päpste sind sehr eng damit verbunden und haben immer wieder auch die Teilnehmer empfangen. Es gibt sogar eine hübsche kleine Geschichte von Johannes XXIII., der hatte sich mit einem der großen Sportidole Gino Bartali unterhalten und hat zu ihm gesagt: Wenn es ihm nicht so schwerfallen würde, er selber könne nicht Rad fahren und wenn es heute nicht unmöglich wäre, hätte er ihn gebeten, ihm das Radfahren in den Vatikanischen Gärten beizubringen.

domradio.de: Kann man denn schon vorhersehen, wie genau das im Vatikan ablaufen wird?

Nersinger: Das wird man absehen müssen, ob das in den Vatikanischen Gärten geschieht oder an einer anderen Stelle. Damals als der Giro d'Italia vom Vatikan aus startete, hat man den Damasushof, diesen großen Empfangshof im Apostolischen Palast genommen. Ich denke, man könnte auch eventuell den Petersplatz nutzen. Ich denke, das wird schon großartig gefeiert werden. Das wird nicht nur ein Sportereignis werden, sondern, das wird dann auf vielen anderen Gebieten seine Spuren hinterlassen.

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.

 

Ulrich Nersinger trifft Franziskus / © privat
Ulrich Nersinger trifft Franziskus / © privat

 

Der große Gino Bartali bei Papst Pius XII. im Jahr 1955 / © N.N. (KNA)
Der große Gino Bartali bei Papst Pius XII. im Jahr 1955 / © N.N. ( KNA )
Quelle:
DR