domradio.de: Zum Weltlehrertag hat sich auch Papst Franziskus per Kurznachrichtendienst Twitter an alle Lehrer gewandt. Sie seien, ebenso wie die Schulen, berufen "den Sinn für die Wahrheit, das Gute und das Schöne zu fördern", so der Papst am Donnerstag. Andere sagen: "Schon wieder Ferien, die Lehrer haben es gut". Ärgern Sie sich über solche Aussagen wie: Lehrersein ist doch total locker, die haben immer frei?
Delia Nitschke (Lehrerin für katholische Religion): Ja, natürlich ärgert man sich darüber. Oft steht da ja Neid dahinter.
domradio.de: Können Sie das denn nachvollziehen?
Nitschke: Ich kann es schon verstehen. Wir haben schon verglichen mit anderen Berufsgruppen viel mehr Zeit, in der wir nicht unterrichten müssen. Aber was viele nicht sehen: Auf den Schreibtischen sammelt sich die Arbeit. Die liegt dort und muss ja auch irgendwann erledigt werden. Das passiert dann doch meistens in der Ferienzeit. Das ist einfach die Zeit, die am besten dafür geeignet ist.
domradio.de: Welches sind denn die größten Herausforderungen in Ihrem Beruf? Es gibt viele Erwartungen von außen, oder? Schüler, Eltern, Kollegen.
Nitschke: Es ist ja nicht nur so, dass man da vorne steht und den Kindern Wissen einhämmern muss. Man ist ja nicht nur Wissensvermittler, sondern auch Sozialpädagoge oder auch Psychologe. Gerade im Bereich der Grundschule fehlt es den jungen Schülern oft an Sozialkompetenz. Das müssen wir als Lehrer immer häufiger auffangen. Der Aufgabenbereich ist einfach viel größer geworden.
domradio.de: Lernen bedeutet also auch Umgang mit Emotionen?
Nitschke: Man hat da eine Gruppe von circa 30 Kindern, die ist total heterogen und jeder kommt mit einem anderen Problem morgens in die Schule. Ich als Lehrerin muss jeden so ansprechen, dass er sich für das, was ich ihm erzählen möchte auch irgendwie interessiert. Und das ist eine Herausforderung.
domradio.de: Jetzt haben Sie gar nicht gesagt: "Die faulen, aufmüpfigen Schüler sind das Problem?"
Nitschke: Nein. Da bin ich tatsächlich sehr gesegnet. An meiner Schule habe ich weder besonders faule, noch aufmüpfige Schüler. Und wenn wir überlegen: faul waren wir doch alle schon mal. Und wenn ein Schüler mal aufmüpfig ist, dann hat das auch meistens einen Grund. Was mich mehr stört, das sind die Eltern, die irgendwelche Probleme größer machen, als sie eigentlich sind. Vieles kann ganz einfach geklärt werden.
domradio.de: Welches sind denn die schönen Momente im Lehrerleben?
Nitschke: Ich liebe meinen Job. Ich habe ihn ja auch nicht ohne Grund gewählt. Ich habe tolle Schüler, ein tolles Kollegium – also Leute, mit denen ich gerne zusammenarbeite und das macht den Gang zur Schule leicht. Ich merke auch, die Schüler geben ganz viel zurück, wenn man ihnen Aufmerksamkeit gibt. Und ich mache auch meine Fächer sehr gerne. Natürlich.
domradio.de: Eines davon ist Religion. Würden Sie sagen, das ist ein besonderes Fach?
Nitschke: Katholische Religion – und allgemein Religion – ist ein besonderes Fach. Wir legen in unserer Schule großen Wert darauf, dass auch diese Erziehung stattfindet. Ich finde das schön, wenn einen Tag später Schüler zu mir kommen und sagen: "Wir haben doch da etwas über die und die soziale Einrichtung gelernt. Ich bin da mit meinen Eltern mal vorbeigegangen, wir haben uns das angesehen und finden es ganz toll, was dort gemacht wird." Es ist großartig, wenn die Kinder das aus dem Unterricht mit- und annehmen, das in ihren Alltag mitnehmen und für ihre Umwelt und ihre Mitmenschen sensibilisiert werden.
domradio.de: Wenn Sie einen Wunsch frei hätten, was sich verändern sollte, welcher wäre das?
Nitschke: Ich habe einen ganz bescheidenen Wunsch. Ich würde mir wünschen, dass das komplette Schulsystem aufbricht und nicht existiert. Sondern, dass wir eine Schule für alle haben, in der jeder Schüler entsprechend seiner Interessen gefördert wird. Ich wünsche mir, dass wir von dem selektiven Schulsystem wegkommen und stattdessen Schüler mehr nach ihren Interessen fördern und sie dadurch ihre Ziele verfolgen können.
domradio.de: Bescheidener Wunsch.
Nitschke: Ja sehr.
Das Interview führte Hilde Regeniter.