domradio.de: Welche Bedeutung hat das Laubhüttenfest für die Juden in Israel?
Dr. Georg Röwekamp (Leiter des Deutschen Vereins vom Heiligen Land): Das Laubhüttenfest ist eines der drei großen Wallfahrtsfeste, zu dem schon in biblischen Zeiten Wallfahrer nach Jerusalem strömten. Auch schon zu biblischen Zeiten ist das Laubhüttenfest ganz besonders mit der Idee verbunden, dass irgendwann alle Völker nach Jerusalem kommen sollen, um gemeinsam das Laubhüttenfest zu feiern. Deshalb kommen sehr viele Besucher aus nah und fern im Lande. Und es wird elf Tage gefeiert, weil rund um das Fest weitere Tage, wie der große Versöhnungstag Jom-Kippur, liegen, so dass das Laubhüttenfest wirklich eine große Feierzeit ist. Sowohl für die, die es religiös begehen, wie auch für die säkularen Israelis, die es als Ferienzeit sehen.
domradio.de: Normalerweise wurden in den letzten Jahren nur am ersten und letzten Tag des Laubhüttenfestes die Grenzen zu den Palästinensergebieten abgeriegelt, obwohl es doch schon immer hin und wieder Attentate gegeben hat. Warum jetzt elf Tage?
Röwekamp: Es hat tatsächlich dieses Attentat in einer Siedlung gar nicht so weit entfernt von Jerusalem gegeben. Hinzu kommt, dass im Sommer rund um den Tempelplatz der Muslime, dem „al-haram asch-scharif“, nach einem Attentat an einem der Ausgänge erhebliche Auseinandersetzungen gegeben hat. Das hat auch in der Folge gezeigt, wie sensibel die Lage ist rund um den Tempelplatz. Und die sogenannte Klagemauer, die Westmauer, am Fuß des Tempelberges, ist gerade am Samstagabend auch das Zentrum der Feierlichkeiten. Dann werden zehntausende Besucher erwartet, wenn der traditionelle Priestersegen gespendet wird. Alle Juden, die aus einer Priesterfamilie stammen, nehmen in diesen Tagen noch einmal ihre alte Funktion wahr und segnen alle Anwesenden. Die israelische Regierung treibt also die Sorge, dass es an diesen sensiblen Tagen um diesen sensiblen Ort herum zu Auseinandersetzungen kommt.
domradio.de: Was wird diese Grenzabriegelung für die Palästinenser bedeuten?
Röwekamp: Zum einen bedeutet es natürlich eine Einschränkung der Reisefreiheit, aber auch, dass viele nicht zu ihren Arbeitsplätzen können, die eine Arbeitserlaubnis haben. Das wird natürlich wieder als eine Einschränkung ihrer Freiheit empfunden. Besonders da ja davon wirklich alle betroffen sind, nicht nur irgendwelche Verdächtigen. Das sorgt natürlich für Frustration und den Eindruck, wir werden hier für die Taten Einzelner weniger kollektiv bestraft.
domradio.de: Man könnte jetzt befürchten, dass sich diese Frustration in neue Aggression entlädt …
Röwekamp: Das weiß man hier nie so genau. Grundsätzlich ist unter den Palästinensern eine gewisse Resignation festzustellen. Alle Versuche der letzten Jahre haben eigentlich nie wirklich zu einer Veränderung beigetragen. Aber wie schnell es gehen kann, dass bestimmte Ereignisse eine heftige Reaktion hervorrufen können, das hat man im Sommer gesehen.
domradio.de: Sie und die Mitarbeiter im Deutschen Verein vom Heiligen Land sitzen ja auch in Jerusalem. Sind Sie auch von den Grenzabriegelungen betroffen?
Röwekamp: Wir sind hier nicht direkt betroffen, weil unsere Mitarbeiter in Jerusalem auch wohnen. Aber andere Organisationen und Einrichtungen sind davon schon betroffen.
Das Interview führte Hilde Regeniter.