Das Konzept einer Nation müsse man nicht aufgeben, es brauche aber das "richtige Gleichgewicht", sagte der Präsident der EU-Bischofskommission COMECE Kardinal Marx am Freitag zum Auftakt eines Kongresses zur Zukunft Europas in Rom. Dabei verwies er auf das deutsche Beispiel mit Bund und Ländern. Ebenso wichtig sei eine Debatte über "gute Demokratie", so der Münchner Kardinal, der auch Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz ist. Viele Menschen hätten das Gefühl, nicht in politische Prozesse eingebunden zu sein und keinen Einfluss zu besitzen. Separationsforderungen seien "ein Zeichen für Probleme in diesen beiden Fragen: Nationalstaat und föderale Subsidiarität sowie eine funktionierende moderne Demokratie, die die Menschen einbindet und am politischen Fortschritt teilhaben lässt", so Marx.
Parlament Kataloniens hat für Loslösung von Spanien gestimmt
Das Parlament der Region Katalonien hat mehrheitlich für einen Prozess zur Loslösung von Spanien und zur Gründung eines unabhängigen Staates gestimmt. Die Abgeordneten verabschiedeten am Freitag in Barcelona eine Resolution über die Konstituierung "einer katalanischen Republik als unabhängigen und souveränen Staat", ohne eine Frist für die Ausrufung festzulegen.
Für die Annahme der Resolution stimmten am Freitag in Barcelona in einer geheimen Wahl vor allem die Abgeordneten des separatistischen Regierungsbündnisses JxSí von Regionalpräsident Carles Puigdemont sowie der linksradikalen Partei CUP. Das Ergebnis lautete 72:10 bei zwei Enthaltungen. Die meisten Abgeordneten der Opposition hatten nach heftiger Debatte noch vor der Abstimmung den Saal verlassen. Die separatistischen Abgeordneten standen nach Bekanntgabe des Abstimmungssieges von ihren Sitzen auf und sangen die katalanische Nationalhymne. Vor dem Parlament versammelten sich nach Medienschätzung mehr als 15 000 Anhänger der Unabhängigkeitsbewegung, die das Ergebnis der Abstimmung feierten.
"Antwort" auf angekündigte Zwangsmaßnahmen
Die Verabschiedung gilt als "Antwort" der Regionalregierung auf die von der Zentralregierung in Madrid angekündigte Anwendung von Zwangsmaßnahmen gegen die Separatisten. Der spanische Senat hat am Freitag eine Entmachtung der katalanischen Regionalregierung und andere Zwangsmaßnahmen gebilligt. Ministerpräsident Mariano Rajoy kann dadurch mit harter Hand gegen die nach Unabhängigkeit strebende katalanische Führung vorgehen. Bei dem vom Verfassungsgericht für illegal erklärten Referendum am 1. Oktober hatten in Katalonien etwa 90 Prozent für die Unabhängigkeit der wirtschaftsstarken Region gestimmt. Allerdings beteiligten sich nur gut 40 Prozent der Wahlberechtigten.
Brexit war für Marx ein Schock
Neben den Unabhängigkeitsbestrebungen in Katalonien wirft für Kardinal Marx auch der Brexit Fragen zum Nationalstaat auf. Die Abkehr vieler Briten vom Projekt der EU sei ein Diskussionspunkt auch innerhalb der COMECE gewesen. Es sei "nicht leicht zu verstehen", dass ein wichtiges EU-Mitglied nach vielen Jahren des Wachstums der Union die Gemeinschaft verlasse. Für ihn sei das "ein Schock" gewesen, aber die Entscheidung sei zu respektieren. Jetzt müsse man darüber reden, in welchem Verhältnis man die Zukunft gestalten wolle. Dazu gehöre die Ermutigung an die anderen, "Europa neu zu denken".
Der päpstliche Außenbeauftragte Erzbischof Paul Gallagher, ein Brite, sagte, man müsse jetzt dafür sorgen, dass die Situation, in der man sich befinde, funktioniere. Es gelte zu betonen, "dass das Vereinigte Königreich die EU verlässt und nicht Europa". Es gebe unterschiedliche Weisen, in Europa zu sein; der Brexit bedeute nicht, alle Elemente des europäischen Projekts aufzugeben. Die Kirche wolle "einen christlichen Beitrag" zu dieser Situation leisten und dazu beitragen, "dass am Ende der Scheidung alle Parteien besser dastehen als vorher".
"(Re)thinking Europe" tagt im Vatikan
Dieses Wochenende tagt im Vatikan die Dialogveranstaltung "(Re)thinking Europe". Auf Initiative der COMECE beteiligen sich daran neben Kardinälen und Bischöfen zahlreiche Europapolitiker, Diplomaten und Akteure von der Basis. Zum Abschluss wird Papst Franziskus eine programmatische Rede zu Europa halten.