Mit einem Festgottesdienst am historischen Ort von Martin Luthers Thesenanschlag vor genau 500 Jahren haben die Feiern zum Reformationsjubiläum am Dienstag ihren Höhepunkt erreicht.
Im Beisein von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) rief der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, in der Wittenberger Schlosskirche die Deutschen zu Mut und Veränderungsbereitschaft auf. Das Land brauche eine "neue innere Freiheit", sagte er.
Die Bundeskanzlerin betonte: "Mit seinen Thesen brachte Martin Luther einen Stein ins Rollen, der sich nicht mehr aufhalten ließ und die Welt für immer veränderte."
In ganz Deutschland gedachten Vertreter von Kirche und Staat in Gottesdiensten und Veranstaltungen des Beginns der Reformation am 31. Oktober 1517. Bei den Gottesdiensten herrschte großer Andrang, auch im Kurznachrichtendienst Twitter war #Reformationstag über mehrere Stunden der meistgenutzte Hashtag.
Vielerorts begingen Protestanten und Katholiken den historischen Tag als Christusfest im Zeichen der Ökumene. Einmalig war der Reformationstag bundesweit arbeitsfrei.
Ein Kreuz der Versöhnung
Im zentralen Wittenberger Festgottesdienst überreichte die Landesbischöfin der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland, Ilse Junkermann, dem Vorsitzenden der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, als ökumenisches Zeichen das sogenannte Hildesheimer Versöhnungskreuz.
In einem gemeinsamen Buß- und Versöhnungsgottesdienst in Hildesheim hatten sich Protestanten und Katholiken im März von jahrhundertelangen Anfeindungen distanziert.
Bedford-Strohm sagte in seiner Predigt, das Land ringe mit sich, manche fühlten sich "moralisch überfordert" und hätten Angst, ihre gewohnte Welt und Sicherheit zu verlieren. Doch weder Obergrenzen für die Unterstützung von Menschen in Not würden Deutschland helfen "noch moralische Durchhalteparolen", mahnte der oberste Repräsentant von rund 22 Millionen Protestanten.
"Was dieses Land braucht, ist eine Kraft, die die Angst überwindet und die Liebe stärkt", sagte der bayerische Landesbischof. Freiheit sei das Herzstück der reformatorischen Glaubensüberzeugung. Luthers Thesenanschlag sei ein "Akt der Befreiung" gewesen.
Einmischen und Haltung zeigen
Der EKD-Ratsvorsitzende rief Christen dazu auf, sich in gesellschaftliche Debatten einzumischen. Für seine Überzeugungen einzustehen, "sich nicht aus der Wut, sondern aus innerer Freiheit in die öffentlichen Debatten einzumischen, diese Haltung braucht unser Land".
Bereits am Vormittag hatte die EKD-Reformationsbotschafterin Margot Käßmann in einem Gottesdienst in der Schlosskirche dazu aufgerufen, sich stärker und offen zum Glauben zu bekennen.
Ein besonderer Tag für die Ökumene
In allen 20 evangelischen Landeskirchen wurde am Dienstag der Höhepunkt und Abschluss des Reformationsjubiläums gefeiert, häufig mit den jeweiligen Ministerpräsidenten und katholischen Bischöfen.
In Soest rief die westfälische Präses und stellvertretende EKD-Ratsvorsitzende Annette Kurschus bei einem Festgottesdienst für Nordrhein-Westfalen zu Toleranz und Mitmenschlichkeit auf.
In Stuttgart warb Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) bei einem Staatsempfang für mehr Ökumene.
Vatikan und Lutherischer Weltbund melden sich
Lutheraner und der Vatikan sandten derweil ein Signal für ein gemeinsames Abendmahl. Die Hoffnung nach einer ungeteilten Eucharistiefeier an einem Tisch solle wahr werden als konkreter "Ausdruck der vollen Einheit", heißt es in einer in Genf veröffentlichten gemeinsamen Stellungnahme des Lutherischen Weltbundes (LWB) und des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen.
Luthers überlieferter Thesenanschlag vom 31. Oktober 1517 gilt als zentraler Ausgangspunkt der weltweiten Reformationsbewegung, die zur Spaltung in evangelische und katholische Kirche führte.
Zum 500. Reformationsjubiläum hatten Kirche, Staat und Gesellschaft ein Jahr lang mit vielen Veranstaltungen an die von der Reformation ausgelösten Umbrüche erinnert.
Ohne größere Zwischenfälle
Die Feierlichkeiten zum 500. Reformationsjubiläum in Wittenberg sind aus Sicht der Polizei ohne größere Zwischenfälle verlaufen.
In die Lutherstadt, in der neben dem Festgottesdienst und dem Festakt zum Reformationsjubiläum am Dienstag auch ein Stadtfest stattfand, seien mehrere tausend Besucher gekommen, die "absolut friedlich" gefeiert hätten, sagte ein Polizeisprecher dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Dienstag in Wittenberg.
Vor der Schlosskirche hätten viele Schaulustige die Ankunft der Vertreter von Kirche und Staat beobachtet, darunter auch internationales Publikum.
Einige Gäste aus den USA seien nach eigener Aussage extra wegen des Reformationsjubiläums angereist, sagte der Polizeisprecher. Zu Berichten, es habe auch Pfiffe gegen die Festgemeinde gegeben, wollte sich der Polizeisprecher nicht äußern.