Dem Pastor wie dem Präsidenten fehlt es nicht an Selbstbewusstsein. Donald Trump habe vermutlich noch nicht herausgefunden, "dass er sich an den Apostel Paulus gekettet hat", sagt der 2,18 Meter große Ex-Basketballprofi im Bibelfernsehen CBN über seinen Vorstoß ins Allerheiligste der Macht in Washington. So sieht sich der Evangelikale Ralph Drollinger, der seit zwei Jahrzehnten nur ein Ziel verfolgt: seine Version von Jesus Christus Politikern auf allen Stufen ihrer Karriere nahezubringen.
Seine Mission führte ihn vor zwei Jahren bereits auf den Kapitolhügel, wo er sowohl im Senat als auch im Repräsentantenhaus republikanischen Abgeordneten die Bibel auslegt. Im März öffnete Trump dem 63 Jahre alten Prediger das Weiße Haus. Seitdem sind Drollingers Lehrstunden am Mittwochmorgen ein Jour fixe für Mitglieder der Regierung. Zu der einstündigen Bibellektion kommen unter anderen Justizminister Jeff Sessions, Wohnungsbauminister Ben Carson, Bildungsministerin Betsy DeVos, Energieminister Rick Perry und CIA-Chef Mike Pompeo. Auch Vizepräsident Mike Pence fehlt selten.
Trump ist "wie der unbesiegbare Samson"
"Diese Kerle sind so treu, bereit und lernbegierig", lobt der Pastor seine Zuhörer, die er schon mal mit biblischen Figuren vergleicht; Pence etwa mit Joseph, bevor er vor den Pharao tritt. Bei Trump muss Drollinger an Samson denken - jenen Auserwählten Gottes, der für die Philister unbesiegbar blieb, solange er sein Haupthaar ungeschoren ließ. "Ich danke Gott für diese Leute! Großartige Menschen, die unsere Nation führen," meint Drollinger.
Soviel Ergebenheit bleibt beim Präsidenten nicht unerhört. Zur Belohnung darf die Bibelstunde in einem Büro im Weißen Haus abgehalten werden; und demnächst in unmittelbarer Nachbarschaft zum Oval Office. Drollinger verriet der "Welt am Sonntag" kürzlich, dass er oft über das Buch der Sprichwörter predige. Denn die Geschichte von König Salomo sei von zentraler Bedeutung für alle, die ein öffentliches Amt innehaben.
Ein weiteres Lieblingsthema ist die "verfallene Moral", die sich nur durch Stärke wieder zum Leitfaden politischen Handelns aufrichten lasse. Politik müsse wieder Richter über falsche Taten werden - und Präsident Trump hält er für den besten, der das erreichen kann.
Vom Basketball zur Bibel
Der studierte Geograf erlebt in Washington gerade den Höhepunkt einer zweiten Karriere als Erweckungsprediger. Seine Laufbahn als Basketballprofi bei den Dallas Mavericks endete Anfang der 1980er Jahre jäh, weil seine Knie nicht mehr mitmachten. Danach wandte sich Drollinger seiner neuen Leidenschaft zu - und versuchte Fans in den Halbzeiten für die Bibel zu interessieren.
Seit Ende der 90er Jahre evangelisiert er die Politik. Nicht nur in den USA, auch in Südamerika, Afrika und Europa versucht er sich in wortwörtlicher Bibelauslegung. So lehrt er, dass die Welt tatsächlich in sechs Tagen erstand. Er hält Homosexualität für eine schwere Sünde und ist der Ansicht, Mütter gehörten ins Haus. Die Todesstrafe hält er für bibelkonform. Mit der Vollstreckung sei dem Hingerichteten aber zu vergeben.
"Ich liebe diesen Kerl einfach"
Eine ganze Konfession brachte Drollinger gegen sich auf, als er laut "Los Angeles Times" den Katholizismus als "eine der falschen Religionen der Welt" bezeichnete. In einer Stellungnahme weist der Pastor das als "Fake News" zurück, um seine Ansichten dann selbst noch einmal zu bekräftigen. "Die Position der katholischen Religion steht in direktem Gegensatz zu dem, was die Bibel sagt: Aus Gnade bist du gerettet durch den Glauben." Den Bezug zu Paulus sieht Drollinger in seiner Direktheit. Als Pastor habe er "große Liebe" zu denen, "die in der Sünde verfangen sind".
Trump selbst hat bislang noch keine Zeit für die Bibelstunde gefunden. Der Präsident erhält Drollingers Bibelmeditationen per E-Mail. Gelegentlich antworte er mit "großartige Bibelauslegung" oder ähnlichem. Abbruch tut sein Fehlen der Schwärmerei des Predigers nicht. Drollinger über Trump: "Ich liebe diesen Kerl einfach."
