Ute Ohoven: Deutschlands erfolgreichste "Bettlerin"

"Mir hat die Stimme versagt"

Für Bedürftige in aller Welt setzt sich die UNESCO-Sonderbotschafterin Ute Ohoven seit über 30 Jahren ein. Der Glaube und eine intensive Begegnung mit Mutter Teresa in den Slums von Kalkutta haben sie inspiriert.

Ute Ohoven und Mutter Teresa / © YOU-Stiftung (DR)
Ute Ohoven und Mutter Teresa / © YOU-Stiftung ( DR )

domradio.de: Ihr Engagement geht auf eine Begegnung mit Mutter Teresa zurück. Was war das für eine Begegnung?

Ute-Henriette Ohoven (UNESCO-Sonderbotschafterin): Das war die wichtigste und unglaublichste Begegnung in meinem Leben. Ich habe Mutter Teresa im April 1997 in Kalkutta getroffen, kurz vor ihrem Tod. Es war jahrelang mein größter Wunsch sie zu sehen. Als ich sie gesehen habe, konnte ich überhaupt nicht mehr sprechen. Mir hat einfach die Stimme versagt. Sie saß vor mir in einem goldenen Licht. Ich habe gedacht hier scheint irgendwie die Sonne rein, aber das Dach war geschlossen. Sie merkte, dass ich nicht mehr sprechen konnte, hat mich gehalten und begann selber.

Bis heute erinnere ich mich an ihre Worte, die sie damals in Englisch an mich gerichtet hat: "Du musst tun, was Du kannst, du musst für die Kinder da sein. Du hast die Stärke." Dass ich für die Armen, für die Zukunft sorgen solle, das hat sie mir ungefähr zehn Minuten immer wieder gesagt. "You, you, you." (Du). Ich konnte trotzdem einfach nicht antworten. Ein unglaubliches Erlebnis. Für mich war ganz klar: Das ist eine Heilige auf Erden. So viel Güte, Liebe und Gnade wird es für mich nie mehr bei einem anderen Menschen geben. Deshalb heißt meine Stiftung auch "YOU".

domradio.de: Die Länder, in denen Sie aktiv sind, sind von Leid und Armut geprägt. Nimmt Sie das nicht auch persönlich mit, diese Orte zu besuchen?

Ohoven: Natürlich. Das ist für mich ein großer Sprung. Von der tiefsten Armut, zu meinem eigenen Leben, das ganz anders aussieht. Eine Zeit lang habe ich gedacht, dass ich in 30 Jahren alles Leid der Welt gesehen hätte. Aber es gibt immer wieder Dinge, die mich zutiefst erschüttern. Wo ich in Tränen ausbreche. Das sind Reisen, wo ich weder richtig schlafen noch essen kann, weil man überall dieses furchtbare Elend sieht.

domradio.de: Sehen Sie denn auch die Früchte Ihrer Arbeit?

Ohoven: Auf der anderen Seite, ist das Schöne, dass ich auch die Erfolge sehe: Glückliche Kinder, die sich entwickelt haben. Mütter, die endlich ein Einkommen haben. Da bin ich sehr froh drüber.

domradio.de: Dabei spielt nicht nur die Begegnung mit Mutter Teresa eine Rolle, Sie haben mehrere Päpste getroffen und auch den Dalai Lama. Steckt hinter der der Arbeit also auch eine religiöse Überzeugung?

Ohoven: Absolut. Ich bin sehr gläubig und brauche für meine Arbeit auch Gott. Daher nehme ich auch meine Kraft. Vor 32 Jahren habe ich den Ruf bekommen: Du musst dich für die Ärmsten der Armen einsetzen. Das ist tiefst in mir verankert. Es gibt natürlich auch immer wieder Zeiten, wo ich sage: Ich kann nicht mehr, ich will nicht mehr. Das Elend wird jeden Tag größer. Jetzt, wo auch die Zahl der Umweltkatastrophen immer mehr zunimmt. Aber: Mein Glaube trägt mich weiter.

domradio.de: Wie sieht denn Ihre Unterstützungs-Arbeit konkret aus?

Ohoven: Das sind 500 Projekte in über 100 Ländern - Bildungsprojekte für Kinder, für Jugendliche, aber auch für Mütter. Heute ist die Qualität der Bildung wichtig. Früher, vor 30 Jahren, hat es ausgereicht, wenn man einen Kindergarten gebaut hat und die Kinder Buntstifte bekommen haben. Heute lernen die Kinder weltweit schon im frühen Alter das Schreiben, bekommen eine Schulausbildung wie bei uns, was es bis dato in den Entwicklungsländern nicht gab.

Deshalb brauchen auch die Lehrer eine gute Ausbildung und moderne Lehrpläne an die Hand. Alles der heutigen Zeit in Europa angepasst.

domradio.de: Ein konkretes Projekt aus Ihrer Arbeit herausgegriffen ist das Projekt BARAKA im Senegal. Ein Slum-Gebiet in Dakar wird grundlegend umgebaut. Was entwickelt sich da?

Ohoven: Das Projekt betreue ich seit über 20 Jahren. Ein Slum, in dem Menschen aus über 14 Ländern gemeinsam leben. Ich habe immer versucht zu verhindern, dass die Menschen dort vertrieben werden, weil das Bauland dort sehr viel wert ist. Lange war das ein Tropfen auf den heißen Stein - mit Baumpflanzungen, mit neuen Wasserstellen. Vor drei Jahren haben wir beschlossen das Gebiet zu einem autarken Stadtteil umzubauen.

domradio.de: Das heißt?

Ohoven: Dafür mussten wir von der Regierung das Grundstück erhalten, eines der teuersten Grundstücke Afrikas. Nach einem Jahr hatte ich vom Präsidenten die Zusage, dass wir dieses Grundstück bekommen, dass wir es für die Armen erhalten können. Von da an haben wir begonnen, von Grund auf mit Architekten und Projektpartnern, mit einigen der größten Städtebauer der Welt, umzubauen. Auch mit der Regierung und den Ministerien im Senegal stehen wir im Kontakt, weil wir unter anderem ein Krankenhaus bauen wollen. Zudem noch Schulen und Kindergärten.

Wir haben auch eine Sensibilisierungskampagne gestartet, mit der die Menschen erst mal auf ihr neues Leben vorbereitet wurden. Die Menschen kommen aus einer Hütte in ein Haus mit Elektrizität und Kanalisation. Das haben sie alles noch nie gesehen. Der Baustart wurde jetzt mehrmals verschoben, aber im Dezember geht es los und soll in drei Jahren fertig sein.

domardio.de: Frau Ohoven, im Internet findet man zwei Bezeichnungen für Sie. "Deutschlands erfolgreichste Bettlerin" und "Mutter Teresa in Chanel". Welches von beidem passt besser?

Ohoven: Dann doch lieber die Bettlerin. Mutter Teresa bin ich nicht, war ich nicht und niemand kann sich mit einer Mutter Teresa vergleichen, und schon gar nicht in Chanel. Wie ich sie aber kennengelernt habe, würde sie darüber sicher schmunzeln.

Das Gespräch führte Renardo Schlegelmilch.

Link zur You-Stiftung: Bildung für Kinder in Not


Quelle:
DR