Wie Mexikos Bischöfe mit andauernder Gewalt umgehen

Kirchliche Rolle in "harten Realität"

Mexiko: Land der Maya-Pyramiden und der Traumstrände am türkisblauen Meer. Doch unter der Oberfläche der Gesellschaft gärt ein Krieg, der schon Zehntausende Opfer gekostet hat. Die Kirche sucht nach Auswegen.

Kerzen für Frieden in Mexiko / © Norbert Demuth (KNA)
Kerzen für Frieden in Mexiko / © Norbert Demuth ( KNA )

Der Generalsekretär der Mexikanischen Bischofskonferenz will nichts beschönigen: "Mexiko ist eines der gewalttätigsten Länder der Welt", sagt Alfonso Gerardo Miranda Guardiola, Weihbischof in Monterrey. Die Lage werde eher schlimmer, räumt er ein. "Wir können nicht sagen, alles ist gut in Mexiko. Wir müssen realisieren, was wirklich passiert!"

Konflikt fordert zahlreiche Opfer

Und das ist erschreckend: Allein im laufenden Jahr wurden bis Ende September nach offiziellen mexikanischen Angaben rund 18.500 Menschen ermordet, also mehr als 2.000 pro Monat oder 68 pro Tag. Zum Vergleich: In Deutschland wurden laut Kriminalstatistik im Jahr 2016 insgesamt 876 Tötungsdelikte registriert.

Seit der Eskalation des Drogenkriegs im Jahr 2006 in Mexiko wurden nach Angaben der mexikanischen Regierung bis Ende 2012 insgesamt 70.000 Menschen ermordet. Mindestens ebenso viele Tötungsdelikte sollen Schätzungen zufolge seitdem hinzugekommen sein. Unter den Ermordeten - und den zusätzlichen Zehntausenden Vermissten - sind meist zwar Mitglieder der Drogenmafia, doch es trifft auch zahlreiche Journalisten, Justizangestellte, Sicherheitskräfte und Geistliche.

Gefahr für katholische Priester

Mexiko ist eines der katholischsten Länder der Welt - und zugleich ein äußerst gefährliches Land für katholische Priester. Allein seit dem Jahr 2012 wurden in Mexiko 18 Geistliche ermordet, wie das Catholic Multimedia Centre (Centro Catolico Multimedial - CCM) berichtet. Seit 1990 wurden mehr als 40 Priester in Mexiko getötet.

Die Drogenkartelle haben in mehreren der 31 Bundesstaaten praktisch die Kontrolle übernommen, etwa das Zeta-Kartell, das dafür berüchtigt ist, Gegner zu köpfen. Ein Rezept gegen die Drogenmafia ist nicht in Sicht, vor allem, da Regierungs- und Justizbehörden teilweise als korrupt gelten.

Das Auswärtige Amt in Berlin rät derzeit von "nicht zwingend notwendigen Reisen" in den Bundesstaat Tamaulipas "dringend ab", ebenso von Reisen in ländliche Gebiete der Bundesstaaten Guerrero, Michoacan und Jalisco. Dort komme es "häufiger zu Ausschreitungen und bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen der Organisierten Kriminalität, Sicherheitskräften und Bürgerwehren".

Kirche soll aktiver gegen Missstände vorgehen

Die mexikanische Kirchenleitung, die als sehr konservativ gilt, sieht eine "Krise der Moral und des Rechts" im Land. Die katholische Kirche sei sich ihrer Rolle in einer "harten Realität bewusst". Doch es gilt als offenes Geheimnis, dass der Vatikan sich eine offensivere Rolle der Kirche im Kampf gegen Organisierte Kriminalität und Korruption wünscht. Papst Franziskus mahnte 2016 bei seinem ersten Besuch in Mexiko die Bischöfe, nicht als "Fürsten" aufzutreten - wie dies zumindest einige der mexikanischen Oberhirten gerne taten -, sondern mutig für die Benachteiligten einzutreten. "Wenn Ihr kämpfen müsst, dann kämpft", forderte Franziskus in einer Rede vor den Bischöfen.

Deren Generalsekretär Guardiola will allerdings keine Frontstellung gegenüber offiziellen mexikanischen Stellen aufbauen. "Mexiko braucht keinen Krieg zwischen Kirche und Regierung", sagt er im Gespräch. Nötig seien Kompromisse, um die Gesellschaft wiederaufbauen zu können. Die Kirche müsse dabei "intelligent" vorgehen.

Friedensarbeit mit "Zentren des Zuhörens"

Jose Leopoldo Gonzalez, Experte der Bischofskonferenz für Sozialpastoral, verweist auf die "erfolgreiche Friedensarbeit" in sogenannten Listening Centers (Zentren des Zuhörens). Solche Zentren hat die Kirche an verschiedenen Hotspots der Gewalt eingerichtet, etwa in Acapulco im Bundesstaat Guerrero.

Hier arbeite man mit Psychologen und Soziologen zusammen, die dort Menschen mit Gewalterfahrungen "einfach zuhören" und versuchen, die erlebten Grausamkeiten aufzuarbeiten. Natürlich sei es nicht ohne Risiko, wenn die Betroffenen dabei machtvolle negative Kräfte in der Gesellschaft beschuldigten. Doch habe er die Erfahrung gemacht: "Wenn die Organisierte Kriminalität merkt, dass wir präsent sind als Kirche, zieht sie sich zurück", so der Bischof von Nogales.

Unterstützung von Hilfswerken

Kirchliche Friedensprojekte gibt es einige in Mexiko. Das katholische Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat hilft beispielsweise mit 20.000 Euro bei der Beratung von Opfern von Gewalt in der Diözese Zamora, die in dem von der Gewalt zerrissenen Bundesstaat Michoacan liegt. Der Titel des Programms ist vielsagend: "Wiederherstellung von Leben."

Norbert Demuth


Alfonso Gerardo Miranda Guardiola / © Tobias Käufer (KNA)
Alfonso Gerardo Miranda Guardiola / © Tobias Käufer ( KNA )
Quelle:
KNA