Kapuzinerpater zum Papstappell für Leben in radiakler Armut

"Man gewinnt eine innere Freiheit"

"Teilt euer Leben mit den Ausgegrenzten", das hat Papst Franziskus in Rom bei einem Treffen mit Franziskanern, Minoriten und Kapuzinern gefordert. Seine Botschaft trifft bei Kapazinerpater Paulus Terwitte jedenfalls auf fruchtbaren Boden.

Bruder Paulus Terwitte vor dem Petersdom / © Romano Siciliani (KNA)
Bruder Paulus Terwitte vor dem Petersdom / © Romano Siciliani ( KNA )

domradio.de: Das waren deutliche Worte vom Papst. Warum hat er die Armut so betont?

Bruder Paulus Terwitte (Kapuzinerpater): Es ist dem Papst wichtig, dass deutlich wird, dass Gott nicht der Starke ist, weil er besonders reich und mächtig ist. Sondern seine Stärke besteht darin, dass er Mensch geworden ist in Jesus. So sagt er das in der Ansprache. Und so sollen auch die Minderbrüder, die dem heiligen Franziskus nachfolgen, die größte Stärke darin zeigen, dass sie sich von anderen Menschen abhängig machen, klein machen und nicht mit Stolz geschwellter Brust sagen: "Ich brauche keinen".

domradio.de: Zur Armut kommt noch das Leben mit den Armen und Ausgegrenzten. Wie leben Sie das denn mit ihrem Orden in Frankfurt? 

Bruder Paulus: Wir haben heute hier den 25. Geburtstag des Franziskustreffs, unser Obdachlosenfrühstück, mit dem wir den armen Menschen von Frankfurt unseren Frühstücksraum anbieten. Bruder Wendelin hatte das damals gegründet. Wir führen das nun weiter. Unser junger Bruder Michael ist jetzt der Leiter. Und wir haben da nicht nur das Frühstück, sondern die Menschen genießen die Gastfreundschaft, die Freundlichkeit, den Schatten des Kirchturmes und unsere Sozialberatung. Wir sind sehr froh, dass schon so mancher vom Frühstückstisch aufgestanden ist und gesagt hat: "Jetzt gibt´s eine Kehrtwendung. Ich mach mal weiter einen Schritt nach vorne."

domradio.de: Der Papst verbindet außerdem die Sorge für die Schöpfung mit der Option für die Armen. Wie verstehen Sie das?

Bruder Paulus: Das muss auf jeden Fall mitgesehen werden, denn wir sind abhängig von der Schöpfung. Wir sind die Armen, wir brauchen die Schöpfung, wir müssen die Schöpfung anbetteln, dass sie immer neu Korn und Pflanzen hervorbringt. Da haben wir kein Recht, es gibt keinen Knopfdruck. Und wenn wir die Schöpfung genießen, dann sollten wir wissen, dass die Mutter Erde uns ernährt, dass wir im Haus der Schöpfung sind, wie der Papst das in seiner Enzyklika "Laudato si" geschrieben hat. Und deswegen ist die Armutshaltung wichtig, die ja nicht heißt, ich will elend sein, sondern ich bin so reich von Gott, dass ich nichts mehr brauche, was ich ausnutzen kann. Sondern ich darf zu allem sagen: "Könntest du, Erde, mir bitte mal ein bisschen Wasser geben, ein bisschen dies und das." Aber ich habe auf nichts ein Recht. Wenn diese Haltung sich durchsetzt, dann werden wir rücksichtsvoller. 

domradio.de: Er hat dazu aufgerufen, den persönlichen Lebensstil zu überprüfen. Fällt es Ihnen persönlich manchmal schwer, das mit der Armut durchzuhalten? Haben Sie tatsächlich gar keinen eigenen Besitz?

Bruder Paulus: Das mit der persönlichen Armut ist so eine Frage, die im Minderbrüderorden seit 800 Jahren diskutiert wird. Und natürlich habe ich als Medienmönch meine Medien, meinen Laptop und mein Smartphone. Das benutze ich auch, aber unser Provinzial muss das unterschreiben, wenn die Verträge gemacht werden. Ich mache die Verträge nicht. Und immer wenn ich umziehe, von einem Kloster in ein anderes, gehe ich ja nicht in mein Haus, in meine Wohnung, in mein Bett. Ich nehme das, was mir angeboten wird. Das ist alles ausreichend und wunderbar. Es hat nichts mit Elend zu tun. Aber es ist schon eine Aussage für mich als Mann, der durchaus selbst verdienen könnte, der ein Konto haben könnte, der sagen könnte, das ist mein Eigentum, das nichts in der Welt mein Eigentum ist. Und manchmal sticht mich das.

domradio.de: Viele ihrer Ordensbrüder laufen nur in Sandalen und einer Mönchskutte durch die Welt. Was gewinnt man dabei, wenn man auf eigenen Besitz komplett verzichtet. 

Bruder Paulus: Man gewinnt eine innere Freiheit, weil man einfach am Ende weiß, das Totenhemd hat keine Tasche. So radikal sehen wir das auch manchmal. Und wir bereiten uns jetzt schon darauf vor, dass wir uns nicht mit dem, was wir nehmen, reich machen, sondern in dem, was wir geben. Denn alles, was einer in Liebe teilt, das erhält er ja eigentlich doppelt zurück. Und diese Franziskanische Fröhlichkeit, diese Leichtigkeit, die uns Freunde und Brüder sein lässt, mit Menschen, die viel Geld haben, die kein Geld haben, die 1.000 Häuser besitzen, oder die nichts besitzen, macht frei. Wir sind bei allen Menschen erst einmal gleich gut anerkannt. Das hat der Papst auch hervorgehoben. Wir sollen mit jedem Menschen anständig reden, wie es sich gehört, sagt der Heilige Franziskus. Und das kann man eben nur, wenn man auf nichts einen Anspruch anmeldet.

Das Interview führte Aurelia Rütters.


Quelle:
DR