Anglikaner-Primas rügt Trump wegen Muslim-Videos

Verzwitschert

Donald Trump twittert bis zum diplomatischen Eklat. Diesmal verbreitet der US-Präsident Videos einer rechtsgerichteten Gruppe aus Großbritannien weiter. Nicht nur der anglikanische Primas ist empört. Doch das beeindruckt Trump nicht.

Atmosphärische Störungen zwischen Theresa May und Donald Trump / © Matt Dunham (dpa)
Atmosphärische Störungen zwischen Theresa May und Donald Trump / © Matt Dunham ( dpa )

Der anglikanische Primas von England hat sich in die Kritik an der Video-Aktion von US-Präsident Donald Trump eingereiht. Es sei "zutiefst beunruhigend, dass sich der Präsident der Vereinigten Staaten entschieden hat, die Stimme rechter Extremisten zu verstärken", schrieb Erzbischof Justin Welby auf Facebook.

Gott habe die Christen "aufgerufen, unsere Nachbarn zu lieben und das Gedeihen aller in unseren Gemeinschaften und Nationen zu suchen", so Welby. Trump müsse seine Tweets löschen und klarmachen, dass er "gegen Rassismus und Hass in jeder Form" stehe. In einem Interview hatte Welby die Frage verneint, ob er verstehe, warum es so große Unterstützung "fundamentalistischer Christen" für Trump gebe.

Antiislamische Videos weitergeleitet

Der US-Präsident hatte am Mittwoch via Twitter drei antiislamische Videos der rechtsextremen Partei Britain First kritiklos an seine 43,5 Millionen Follower weitergeleitet. Eines zeigt, wie ein Jugendlicher auf Krücken im niederländischen Monnickendam angeblich von einem muslimischen Einwanderer verprügelt wird. Später stellte sich heraus, das der Schläger weder ein Muslim noch Migrant war.

Ein zweiter Film hält fest, wie mutmaßliche Anhänger der ägyptischen Muslimbrüder in Alexandria einen 19-Jährigen von einem Hausdach warfen. Einer der Täter erhielt dafür später die Todesstrafe; das Urteil wurde zwei Jahre später vollstreckt. Das dritte Video, das Trumps Aufmerksamkeit erzielte, stammt von 2013 und wurde vermutlich in Syrien aufgenommen. Zu sehen ist ein muslimischer Extremist, der eine Marienstatue auf dem Boden zerschmettert.

Die britische Premierministerin Teresa May hatte Trumps Weiterleitung scharf verurteilt. Die "vorurteilsbeladene Rhetorik" von "Britain First" sei "die Antithese jener Werte, die dieses Land repräsentiert: Anstand, Toleranz und Respekt".

Anfang November hatte ein britisches Gericht die Herausgeberin der Website von "Britain First" und Vize-Parteivorsitzende Jayda Fransen wegen Beleidigung einer Muslimin zu einer Geldstrafe verurteilt. Fransen zeigte sich dagegen hoch erfreut durch die PR des US-Präsidenten. Sie twitterte: "Gott segne Trump! Gott segne Amerika!"

Kritik von Muslimen

Die Weiterverbreitung islamfeindlicher Videos durch US-Präsident Donald Trump stößt auch bei führenden US-Muslimen auf scharfe Kritik. Man sei "schockiert, aber nicht überrascht" über die Aktion des Präsidenten, sagte der Exekutivdirektor des Rates für amerikanisch-islamische Beziehungen (CAIR), Nihad Awad, am späten Mittwochabend (Ortszeit) in Washington. Trump schüre Gewalt, so CAIR-Direktor Awad gegenüber dem "Religion News Service". Hassreden führten jedoch zu Hassverbrechen, warnte er.

Auch Lakshmi Sridaran, Direktorin einer Lobbyorganisation der südasiatischen Amerikaner (SAALT), betonte, die wahre Bedrohung für Staat und Gesellschaft komme nicht von Muslimen, sondern gehe direkt von der US-Regierung aus. Ähnlich kritisch äußerte sich Ilhan Cagri vom Muslim Public Affairs Council: Dass Trump die Hetz-Videos verschicke, zeige, dass er sich mit extremistischen Ansichten identifiziere, so Cagri.

Trump weist May zurecht

US-Präsident Donald Trump hat die britische Regierungschefin Theresa May auf Twitter inzwischen scharf zurechtgewiesen. Sie solle sich nicht um ihn, sondern um islamistischen Terrorismus kümmern, so Trump. Ein Regierungssprecher in London hatte es tags zuvor als "falsch" bezeichnet, dass Trump per Twitter islamfeindliche Videos der rechtsgerichteten britischen Gruppe "Britain First" weiterverbreitet hatte. Die Regierung in London legte am Donnerstag ebenfalls nach.

Das Büro der britischen Premierministerin bezeichnete die Aktivitäten von "Britain First" als "hasserfüllt". Sie würden rechtschaffene Bürger verängstigten.

Daraufhin wandte sich Trump über Twitter direkt an die britische Regierungschefin: "Konzentrieren Sie sich nicht auf mich, konzentrieren Sie sich auf den zerstörerischen radikal-islamischen Terrorismus im Vereinigten Königreich", schrieb er. "Wir kommen schon klar!" Am Donnerstag kritisierte die britische Innenministerin Amber Rudd dann den US-Präsidenten im Londoner Parlament: Er habe falsch gehandelt. May war noch auf Reisen im Nahen Osten.

""Britain First" versucht, Gemeinschaften durch ihre hasserfüllten Erzählungen zu spalten, die Lügen verbreiten und Spannungen anheizen. Sie erzeugen Angst bei rechtschaffenen Leuten", sagte ein britischer Regierungssprecher der Deutschen Presse-Agentur. Der Chef der oppositionellen Labour-Partei, Jeremy Corbyn, sprach von einer "Bedrohung für unsere Gesellschaft".

Diplomatische Störungen

Erneut forderten zahlreiche Politiker, den im kommenden Jahr geplanten Staatsbesuch des US-Präsidenten in Großbritannien abzusagen, darunter auch Londons Bürgermeister Sadiq Khan. Er sprach von einem Vertrauensbruch in der besonderen Beziehung zwischen den USA und Großbritannien. Bei dem Staatsbesuch soll Trump auch von Königin Elizabeth II. empfangen werden und in einer vergoldeten Kutsche mit ihr auf einer Prachtstraße fahren. Auch ein gemeinsames Dinner ist geplant. Viele Briten halten das schon seit längerem für unangemessen und wollen den Besuch daher herabstufen. Die Regierung lehnt das ab.

Das Weiße Haus verteidigte Trumps Retweets. "Die Bedrohung ist echt, der Bedrohung muss man begegnen und über diese Bedrohung muss man reden", sagte Sprecherin Sarah Sanders. Trumps Vizesprecher Raj Schah ergänzte, der Präsident habe auf eben diese Sorge mit seinen Erlassen reagiert. Dies zielte auf die mehrfach gerichtlich gestoppten Einreiseverbote für Menschen aus islamischen Staaten, von denen Trump aber stets behauptete, sie seien nicht gegen Muslime gerichtet.

Trump selbst unterlief bei seiner Antwort an May noch ein Fehler. Das Twitter-Konto der Premierministerin lautet @theresa_may, mit Unterstrich; der Präsident richtete seine Mahnung jedoch an @theresamay, das Konto einer anderen Nutzerin. Wenig später wurde der erste Tweet gelöscht und an die richtige Adressatin wiederholt.

Bereits im vergangenen Juni hatte Trump eine Auseinandersetzung via Twitter mit dem Londoner Bürgermeister. Sadiq Khan hatte die Menschen nach einem Terroranschlag gebeten, nicht wegen des erhöhten Polizeiaufgebots in der Metropole in Alarmstimmung zu verfallen. Trump warf ihm daraufhin eine "armselige Ausrede" vor.


Primas Justin Welby (dpa)
Primas Justin Welby / ( dpa )
Quelle:
KNA , dpa