DOMRADIO.DE: Warum machen Sie in diesem Jahr das Thema Arbeit zum Schwerpunkt Ihrer Aktion?
Pater Michael Heinz (Geschäftsführer des katholischen Lateinamerikahilfswerks Adveniat): Wir hören immer auf unsere Projektpartner vor Ort in Lateinamerika und der Karibik, welche Themen ihnen unter den Nägeln brennen, was wichtig ist und das greifen wir dann in unseren Aktionen auf.
In Lateinamerika ist vielen Menschen der Zugang zu einer gerecht bezahlten Arbeit verwehrt. Millionen schuften dort für einen Hungerlohn als Hausbedienstete, Straßenhändler, Tagelöhner oder in Minen beispielsweise. Es sind insbesondere die Frauen, die im informellen Sektor arbeiten und wir setzen uns dafür ein, dass gerechte Arbeitsbedingungen nicht nur ein Privileg der reichen Länder sind.
DOMRADIO.DE: Sie haben lange in Bolivien gelebt - in welchen Verhältnissen müssen Menschen dort zum Teil arbeiten?
Heinz: In Bolivien arbeitet mehr als die Hälfte der Bevölkerung im informellen Sektor, das heißt, viele Menschen bestreiten ihr Leben von Gelegenheitsarbeiten. Ich erinnere mich zum Beispiel an eine Katechetin aus der Pfarrei, in der ich tätig war: Sie näht Kleider und ernährt damit die ganze Familie. Manchmal bekommt sie einen Großauftrag, dann helfen alle mit. Aber diese Aufträge bekommt sie nicht regelmäßig, es sind eben nur Gelegenheitsjobs und wenn sie nichts verkauft, dann hat die Familie auch kein Einkommen.
DOMRADIO.DE: Arbeitsbedigungen, Arbeitsschutz, gerechter Lohn - das sind klassischerweise die Themen der Gewerkschaften. Warum engagiert sich Kirche in dem Bereich nun auch?
Heinz: Die Kirche ist bereits seit über 120 Jahren in diesem Bereich tätig, seit 1891 Papst Leo XIII. die Sozialenzyklika "rerum novarum" veröffentlichte, mit der er sich gegen die Ausbeutung der Arbeiter aussprach. Seitdem greift die Kirche immer wieder soziale Themen auf, nimmt Arbeitsbedingungen in den Blick, nicht nur hier in Deutschland sondern rund um den Globus. Das ist es ja, was uns mit den Lateinamerikanern verbindet: Dass wir uns für Gerechtigkeit und für die Ärmsten der Armen einzusetzen.
DOMRADIO.DE: Wie versucht Adveniat, faire Arbeitsbedingungen in Lateinamerika zu fördern?
Heinz: Manuel Morán ist beispielsweise einer unserer Projektpartner in El Salvador, der uns in diesem Jahr auch zur Eröffnung der Weihnachtsaktion in Paderborn besucht. Er arbeitet bei der Caritas in San Salvador und engagiert sich für Jugendliche: Die Jugend in dem Land hat kaum Perspektiven, viele schließen sich gewalttätigen Jugendbanden an, verdienen sich mit Drogenhandel und Auftragskriminalität das Leben. Ich hatte das Glück, ihn im Mai zu besuchen und auch mit den Jugendlichen zu sprechen.
Sein Projekt, das wir von Adveniat auch unterstützen, versucht, den jungen Menschen Alternativen aufzuzeigen, durch Weiterbildung, Hilfe bei der Arbeitssuche und Projekte zur Friedenserziehung und Stärkung des Selbstbewusstseins. Adveniat setzt sich aber auch dafür ein, dass die internationalen Gründe für weltweite Ungleichheit und Ungerechtigkeit angegangen werden
DOMRADIO.DE: Die Frage nach würdigen Arbeitsbedingungen gibt es hier in Deutschland auch, selbst wenn wir mittlerweile einen Mindestlohn haben, gibt es immer mehr Menschen, die aufstocken müssen oder unter prekären Bedingungen arbeiten. Warum sollten sich die Menschen trotzdem auch für die Lebens- und Arbeitsbedingungen in Lateinamerika interessieren?
Heinz: Weil wir als Christen in Solidarität mit den Ärmsten leben. Wir leben in einer Welt, in der der Reichtum extrem ungleich verteilt ist und in der die globalisierte Wirtschaft und die Ausbeutung keine Grenzen kennen. Dem müssen wir eine weltweite Solidarität entgegen stellen. Das ist unsere Aufgabe, weil gerechte Arbeit ein Menschenrecht ist.
Es geht um Menschen, nicht um Waren und deshalb ist es wichtig für uns Christen, dass wir immer wieder auch für die Menschen in Lateinamerika eintreten. Das sehen wir auch als unsere Aufgabe als Lateinamerikahilfswerk an. Am Sonntag, wenn wir unsere Aktion eröffnen, wie auch in der gesamten Adventszeit, wollen wir darauf aufmerksam machen, damit die Christinnen und Christen wachsam sind und für die Menschen in Lateinamerika ihre Spenden geben.
Das Interview führte Ina Rottscheidt.